Arbeitnehmermarkt
Foto: Kärcher
Im Gespräch mit Rüdiger Bechstein, Bereichsleiter Personal bei Kärcher
In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um den Arbeitnehmermarkt! Führungskräfte Deutschlands führender Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie sie in der aktuellen Marktsituationen Bewerber:innen begeistern und gewinnen wollen.
Auch an Familienunternehmen geht der Fachkräftemangel nicht vorbei. Umso wichtiger ist ein gutes Konzept, um für Bewerber:innen interessant zu bleiben.
In diesem Interview spricht Rüdiger Bechstein mit uns über den Erfolg von Kärchers aktueller Employer Branding-Kampagne WE ARE THE KÄRCHERS, WANNA WOW WITH US und erzählt uns wie das Unternehmen seinen Purpose entdeckt hat.
Herr Bechstein, wie macht sich der Fachkräftemangel in Ihrem Unternehmen heute schon bemerkbar?
Wir haben rund 300 offene Stellen bei uns und unsere Personalreferenten haben alle Hände voll damit zu tun, diese Stellen zu besetzen. Natürlich spüren wir, dass wir auf bestimmte Ausschreibungen inzwischen weniger Bewerbungen als früher bekommen, dazu gehören z. B. die Stellen im IT-Bereich. Auch im Bereich Controlling oder Personal merken wir, dass sich weniger Menschen bewerben. Früher war es eine Art "Post and Pray" - das funktioniert heute nicht mehr. Stattdessen müssen wir mittlerweile selbst für ganz gewöhnliche Stellen teilweise in die Direktansprache gehen.
Gibt es trotzdem Bereiche, die besonders betroffen sind und wo sich der Fachkräftemangel noch etwas stärker bei Kärcher bemerkbar macht?
In der Informationstechnologie suchen wir alles rauf und runter. Da sind aber natürlich nicht nur wir auf der Suche. Bei uns ist es zum Beispiel speziell der Bereich Batterietechnik. Aber auch allgemeine Stellen für Fachkräfte stellen uns mittlerweile vor Herausforderungen: Egal, ob Ingenieure oder Kaufleute, das spielt eigentlich keine Rolle. Obwohl wir ein bekannter Arbeitgeber sind, spüren wir, dass die Suche häufig länger dauert als noch vor wenigen Jahren. Und was wir auch spüren: Wenn wir dann gute Kandidaten haben, sind diese häufig noch mit zwei oder sogar drei anderen potentiellen Arbeitgebern im Gespräch. Es ist also inzwischen ein Konkurrenzkampf, bei dem man alles einsetzen muss und sich um die Gunst der Kandidaten bemühen muss - nicht mehr umgekehrt.
Welche Auswirkungen hat dies auf die Produktivität, die Qualität und die Innovationsfähigkeit des Unternehmens?
Wir haben bei Kärcher ein Betriebsklima, das unter anderem davon geprägt ist, dass man sich gegenseitig hilft. Aber klar: wenn gleich mehrere Stellen auch mal über längere Zeit nicht besetzt sind, ist das in den von Ihnen benannten Bereichen ein Thema, das man im Auge behalten muss.
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Welche langfristigen Probleme ergeben sich für Unternehmen aus einem Arbeitnehmermarkt?
- Erhöhte Kosten: Im Arbeitnehmermarkt steigen die Löhne, da Unternehmen höhere Gehälter bieten müssen, um für qualifizierte Fachkräfte attraktiv zu sein und diese zu halten. Außerdem muss mehr in Bereiche wie Talent Management, Talent Attraction und Employer Branding investiert werden.
- Wettbewerbsnachteile: Unternehmen, die es schwer haben, für talentierte Mitarbeiter attraktiv zu sein werden im Wettbewerb mit anderen Unternehmen ins Hintertreffen geraten.
- Fluktuation: Ein Mangel an Fachkräften kann zu einer höheren Mitarbeiterfluktuation führen, da Arbeitnehmer leichter zu anderen Unternehmen wechseln können. Damit wird der Arbeitsmarkt schnelllebiger, was allerdings auch Vorteile bietet.
- Natürlich kann auch das Wachstum einer Firma davon beeinträchtigt werden, wenn Fachkräfte fehlen.
Auf lange Sicht jedoch: welche Probleme ergeben sich dadurch, die jetzt mittelfristig vielleicht noch nicht sichtbar sind?
Der Fachkräftemangel ist auch ein Stück weit ein Verdrängungswettbewerb. Wir als namhaftes Markenunternehmen, das zudem als hervorragender Arbeitgeber bekannt ist, haben hier weniger Probleme. Aber es gibt natürlich Unternehmen, die es zukünftig immer schwerer haben werden. Ich glaube, das Problem verlagert sich und wird für viele Mitwettbewerber existenzbedrohend, während wir vermutlich weiterhin in der Lage bleiben, unsere Stellen gut zu besetzen.
Auszug aus Kärchers aktueller Employer Branding-Kampagne.
Foto: Kärcher
Gibt es denn auch Chancen in dieser Arbeitsmarktsituation? Und wenn ja, welche sind es?
Für uns als Familienunternehmen besteht die Chance darin, zu zeigen, was wir können und wer wir sind und dass wir authentisch rüberbringen, ein guter Arbeitgeber zu sein. Gerade gab es einen Artikel im Stern über eine große Umfrage der besten Arbeitgeber, bei der Kärcher auf Platz 10 rangiert hat (Anm. d. Red.: hierbei handelt es sich um eine jährliche Arbeitgeberumfrage, welche der Stern gemeinsam mit Statista durchführt). In ganz Deutschland Platz 10! Das muss man erst mal schaffen. Das zeigt, dass die Leute gerne bei uns sind und dass die Mitarbeiter auch einen gewissen Sinn in dem sehen, was wir hier tun.
Und dass sie gerne in einem Familienunternehmen arbeiten und es mögen, dass man sich untereinander gut kennt. Es zeigt uns, dass die Bindung unserer Mitarbeiter hoch ist und sie stolz darauf sind, hier zu arbeiten. Das tragen wir auch nach außen. Und zwar nicht durch professionelle Models, sondern ganz authentisch durch unsere Mitarbeiter. Wir haben eine aktuelle Employer Branding Kampagne, „We are the Kärchers, wanna WOW with us“. Da stehen die Kolleginnen und Kollegen bei uns Schlange, um sich für diese Kampagne fotografieren zu lassen und um im Anschluss diese Aufnahmen beispielsweise auf Social Media zu teilen.
Sind denn Familienunternehmer allgemein besser für einen Arbeitnehmermarkt positioniert oder ist Kärcher hier einfach nur ein besonderer Fall?
Nein, andere Unternehmen stehen auch gut da. Meist sind ja Familienunternehmen längerfristig orientiert. Wenn Sie sich börsennotierte Unternehmen angucken: da zählt jedes Quartal. Und wenn im Quartal das Ergebnis schlecht war, lassen die Konsequenzen oftmals nicht lange auf sich warten. Familienunternehmen geben den Mitarbeitern Sicherheit. Ein Beispiel für die Bindung von Mitarbeitenden bei uns: Wir haben einen Mitarbeiter, der jetzt 50 Jahre bei uns ist und dessen Söhne mittlerweile auch bei uns arbeiten. Das kommt sogar relativ häufig vor, dass bei uns die Kinder von ehemaligen Mitarbeitern arbeiten oder sogar die Enkel in zweiter oder dritter Generation angestellt sind. Das zeigt uns, dass wir vieles richtig machen.
Die Identifikation jüngerer Generationen mit dem Arbeitgeber ist inzwischen häufig niedriger als es früher oft der Fall war. Stehen Familienunternehmen gegen diesen Trend?
Zumindest in unserem Fall kann ich sagen: ja. Selbst wenn uns Mitarbeiter verlassen, kehren sie häufig nach einiger Zeit zurück.
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Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind für Geschäftsführer:innen und Führungskräfte in der aktuellen Marktsituation besonders erforderlich, um Bewerber:innen für sich einzunehmen?
„Empathie und Flexibilität. Vieles kann man sich in diesem Zusammenhang von Spitzentrainern aus dem Leistungssport abschauen. Dort hat man schon vor Jahrzehnten erkannt, dass jeder Spieler anders ist und auch anders angepackt werden muss. In der Berufswelt gibt es dagegen aber immer noch zu viele Führungskräfte, die der Meinung sind, dass alle nach ihrer Nase tanzen müssen. Das hat in einem Arbeitgebermarkt vielleicht noch funktioniert, wird in einem Arbeitnehmermarkt aber zum Verhängnis. Das soll aber ausdrücklich nicht heißen, dass man den potenziellen oder aktuellen Mitarbeitern alles durchgehen lassen soll, sondern vielmehr, dass die Führungskraft als Beobachter mehr gefragt sein wird, um dann gezielt zu kommunizieren.“
Welche Kompetenzen müssen Führungskräfte und Geschäftsführer in der aktuellen Arbeitsmarktsituation mitbringen?
Führungskräfte müssen authentisch sein. „Walk the Talk“ nennt man das: keine Parolen schwingen, sondern glaubwürdig sein, Orientierung geben, für Transparenz sorgen. Die Menschen wollen wissen, was im Unternehmen los ist und wo die Reise hingeht. Sollte es Veränderungen geben, müssen sie diese gut erklären können, die Menschen im Blick behalten. Man muss seine Mitarbeiter mögen, sonst kann man keine Führungskraft sein. Das wird von uns als Unternehmen auch erwartet und gefordert.
Schauen wir nach vorn: Welche Strategien sind erforderlich, damit Kärcher weiterhin erfolgreich bleibt?
Ich spreche hier natürlich aus der Sicht des Personalchefs und mir sind mehrere Dinge wichtig: Erstens ist eine Unternehmenskultur etwas, was man nicht kopieren kann. Im Wettbewerb kann man alles Mögliche kopieren, aber nicht die Unternehmenskultur. Und deswegen muss man sich bewusst sein, dass die richtige Unternehmenskultur entscheidend darüber ist, ob man seine Unternehmensstrategie erreicht oder nicht. Jüngere Generationen haben unterschiedliche Erwartungen an Unternehmen: es wird mehr und mehr erwartet, dass man auch einen Purpose, einen Sinn, sieht in dem, was man tut. Dazu gehört auch eine Kultur, die das möglich macht. Das zweite ist eine langfristige Personalpolitik. Dazu gehört auch, dass man junge Leute an Bord holt, also Auszubildende oder Studenten, die dann sozusagen den Weg mitgestalten und nicht einfach irgendwo arbeiten wollen. Wir brauchen Leute, die sagen: „Ja, bei Kärcher fühle ich mich zu Hause und hier bleibe ich“. Denen aber gleichzeitig der Spagat zwischen diesem menschlichen Aspekt und Leistung gelingt, denn wir wollen der Weltmarktführer bleiben. Hierfür ist Top-Performance wichtig.
Damit das gelingen kann, brauchen wir gewisse Arbeits- und Rahmenbedingungen. Wir haben zum Beispiel in den letzten 20 Jahren sehr viel für das Thema Beruf und Familie gemacht. Ein wichtiges Beispiel sind (werdende) Eltern: Wir haben erlebt, dass die Menschen gute Eltern und gleichzeitig gute Mitarbeiter sein wollen. Dafür braucht es bestimmte Rahmenbedingungen, bei denen wir als Arbeitgeber unterstützen können: wie unter anderem beim Thema Kinderbetreuung, bei der Flexibilität der Arbeitszeit und bei der Flexibilität des Arbeitsortes.
Das ist eine große Aufgabe und wir haben das in den letzten Jahren ganz gut hinbekommen. Wir haben viele Benefits rund um das Thema Beruf und Familie. Wir zahlen beispielsweise Zuschuss für die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren, weil meist die Kosten für die Betreuung der ganz Kleinen besonders hoch sind. Dann nehmen Sie das Thema Mobilität: Wir zahlen schon seit vielen Jahren den Zuschuss für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Bei den normalen Mitarbeitern sind es 60 Prozent. Viele schätzen den Umweltgedanken und finden es toll, wenn der Arbeitgeber das anbietet, selbst wenn sie es gar nicht in Anspruch nehmen.
Sie hatten gerade schon den Purpose angesprochen: wie hat Kärcher den als Unternehmen definiert?
Unser Purpose wurde 2022 von Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt formuliert und er ist bereits ein starkes Identifikationsmerkmal für unsere Mitarbeiter. Als wir begonnen hatten, uns damit zu beschäftigen, wurde uns schnell bewusst: Im Grunde gibt es den Kärcher-Purpose schon, wir haben ihn nur noch nicht ausformuliert. Deshalb haben wir - anstatt uns einfach etwas auszudenken - diesen im Unternehmen zusammen mit unseren Mitarbeitenden herausgearbeitet. Jeder Mitarbeiter weltweit wurde befragt: Wenn du einem Kind in eigenen Worten beschreiben würdest, wofür Kärcher steht, was würdest du ihm sagen? Rund 2000 Leute haben sich beteiligt und uns Antworten in ihrer Landessprache gesendet. Aus all diesen Einsendungen und Kernaussagen haben wir schließlich unseren Purpose herausgearbeitet: Renew to sustain. Together we make a powerful impact towards a clean world.
Interview: Maximilian Kaiser
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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