Arbeitnehmermarkt

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Fünf Fragen an Expertin Celine Nadolny

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um den Arbeitnehmermarkt!  Führungskräfte Deutschlands führender Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie sie in der aktuellen Marktsituationen Bewerber:innen begeistern und gewinnen wollen.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview spricht Celine Nadolny, Finanzbloggerin und Sachbuchkritikerin, mit uns darüber, welche Unternehmen im Wettbewerb um Fachkräfte einen Vorteil haben und wieso Führungskräfte sich am Leistungssport orientieren sollten.

Das ist Celine Nadolny

Celine ist preisgekrönte Finanzbloggerin und Deutschlands einflussreichste Sachbuchkritikerin mit einer klaren Mission: Sie möchte so viele Frauen und Männer wie nur möglich dazu inspirieren, mehr zu lesen, ihre Finanzen in die Hand zu nehmen und ein erfüllteres Leben zu führen.

Frau Nadolny, welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf betroffene Unternehmen in den Bereichen Produktivität, Qualität und Innovationsfähigkeit schon heute?

Die Kausalkette ist im Grunde ziemlich trivial: weniger und weniger qualifizierte Mitarbeiter führen zwangsläufig dazu, dass Produktivität, Qualität und Innovationsfähigkeit in den Unternehmen zunächst einmal abnehmen. Viele Unternehmen versuchen zwar die Produktivität durch verschiedene Maßnahmen hochzufahren, um damit in gewisser Weise für Kompensation zu sorgen, aber auch für Produktivitätsmaßnahmen benötigt man Personal, dass diese Verbesserungen vorantreibt. Ähnliches kann man in Bezug auf die Innovationsfähigkeit sagen. Der Fachkräftemangel ist auf der einen Seite Antreiber der Innovation, denn die Innovation kann bei der Abfederung des Fachkräftemangels unterstützen und auf der anderen Seite hemmt er sie auch zeitgleich.

Es ist eine schwierige Situation, in der Unternehmen kreativ werden müssen.
 

Welche langfristigen Probleme ergeben sich für Unternehmen aus einem Arbeitnehmermarkt?

Ein Arbeitnehmermarkt führt langfristig vor allem zu zwei großen Veränderungen: Unternehmen sind dazu gezwungen sich selbst möglichst attraktiv nach außen zu präsentieren und werden dafür Kapital in die Hand nehmen müssen. Zum anderen werden höchstwahrscheinlich die Lohnkosten aufgrund der verbesserten Verhandlungsposition der Arbeitnehmer steigen oder anderweitig Kompensationen erfolgen müssen, um sich gegen Wettbewerber durchzusetzen und die besten Talente zu akquirieren.

Wirkliche Probleme ergeben sich vor allem allerdings im Bereich geplanter Wachstums Maßnahmen. Denn die können nur mit den geeigneten Mitarbeitern gestemmt werden und wenn diese nicht zu passenden Konditionen gefunden werden können, wird das Wachstum stagnieren.
 

Gibt es für Unternehmen auch Chancen? Und wenn ja, welche?

Aber selbstverständlich. Jede Herausforderung ist auch stets eine Chance. Und selbst wenn nur in der Perspektive, dass die Konkurrenz höchstwahrscheinlich ebenfalls davon betroffen ist und man sich durch geschicktes Krisenmanagement ihr gegenüber einen Vorteil verschaffen kann. Wer gezielter auf die Situation reagiert, wird das bessere Personal akquirieren können und für die Konkurrenz bleibt dann nur der Rest übrig.

Darüber hinaus zwingt der Fachkräftemangel viele Unternehmen auch zum Umdenken. Dass daraus auch sinnvolle Veränderungen resultieren können, hat uns nicht zuletzt die Corona Pandemie gezeigt.

 

Gibt es Unternehmen oder Branchen, die besser positioniert sind, um mit dem Fachkräftemangel umzugehen?

Vor allem die Unternehmen, die schon seit Jahren eine gelungene Employer Branding Strategie verfolgen und einen attraktiven Rahmen für ihre Mitarbeiter bieten können, werden die Nase vorn haben. Ob nun gewisse Branchen damit besser umgehen können, würde ich unbeantwortet lassen. Da gibt es sicherlich andere Einflussfaktoren.

Am Ende wird es darauf ankommen zu verstehen, was die gewünschten Mitarbeiter vom Unternehmen erwarten, das nach besten Möglichkeiten zu bieten und zielgerichtet nach außen zu kommunizieren.
 

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind für Geschäftsführer:innen und Führungskräfte in der aktuellen Marktsituation besonders erforderlich, um Bewerber:innen für sich einzunehmen?

Empathie und Flexibilität. Vieles kann man sich in diesem Zusammenhang von Spitzentrainern aus dem Leistungssport abschauen. Dort hat man schon vor Jahrzehnten erkannt, dass jeder Spieler anders ist und auch anders angepackt werden muss. In der Berufswelt gibt es dagegen aber immer noch zu viele Führungskräfte, die der Meinung sind, dass alle nach ihrer Nase tanzen müssen. Das hat in einem Arbeitgebermarkt vielleicht noch funktioniert, wird in einem Arbeitnehmermarkt aber zum Verhängnis.

Das soll aber ausdrücklich nicht heißen, dass man den potenziellen oder aktuellen Mitarbeitern alles durchgehen lassen soll, sondern vielmehr, dass die Führungskraft als Beobachter mehr gefragt sein wird, um dann gezielt zu kommunizieren.
 

Interview: Maximilian Kaiser

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten.  Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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