Arbeitnehmermarkt

Tobias_Pfeifer

Foto: ELCO

Im Gespräch mit Tobias Pfeifer, Personalleiter bei ELCO

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um den Arbeitnehmermarkt! Führungskräfte Deutschlands führender Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie sie in der aktuellen Marktsituationen Bewerber:innen begeistern und gewinnen wollen.

Auch an Familienunternehmen geht der Fachkräftemangel nicht vorbei. Umso wichtiger ist ein gutes Konzept, um für Bewerber:innen interessant zu bleiben.

In diesem Interview berichtet Tobias Pfeifer, wie ELCO den Fachkräftemangel mit Umschulungen bekämpfen will und warum er eine gesunde Führungskultur in Zeiten des Arbeitnehmermarktes für entscheidender denn je hält. 

Herr Pfeifer, wie macht sich der Fachkräftemangel bei ELCO heute schon bemerkbar?

Wir fahren da weder besser noch schlechter als andere Unternehmen: wir spüren den Fachkräftemangel – bei uns ist besonders der Servicebereich betroffen, der auch all unsere Servicetechniker umfasst – und merken schon, dass wir uns unheimlich schwertun, neue geeignete Fachkräfte zu finden. Bei uns liegt es allerdings nicht ausschließlich am demografischen Wandel, sondern meines Erachtens auch an der aktuellen Marktdynamik. Als Hersteller und Anbieter verschiedener Heizsysteme gab es in den vergangenen Jahren erhebliche Nachfragesteigerungen für unsere Produkte. Das Thema „Heizung“ ist mittlerweile eben viel bewusster in den Köpfen der Endkunden präsent.

Dadurch haben alle Anbieter von Heizsystemen eine hohe Nachfrage und entsprechend werden für die Installation auch viele zusätzliche Servicetechnikern benötigt, die der Markt bzw. die Ausbildung gar nicht schnell genug nachschieben kann. Die Regierung ging zuletzt beim Thema „Wärmepumpen“ in die Offensive, aber selbst, wenn wir es schaffen würden, die ausgerufene halbe Million Wärmepumpen in kurzer Zeit zu produzieren, fehlt es an Manpower, um diese dann auch zu verbauen. In dieser Hinsicht ist mein persönliches Gefühl, dass wir aktuell eine Querbewegung haben. Das heißt, es gibt eben einen Wechsel von Servicetechnikern, von Unternehmen A zu Unternehmen B. Im Endeffekt bewegt sich die Population der Servicetechniker quer durch den ganzen Markt und das führt dazu, dass es sehr dynamisch wird und wir bei uns im Unternehmen eine gewisse Grundfluktuation an Fachkräften haben.

Wir kämpfen aktuell an zwei Fronten: auf der einen Seite gegen unsere Mitwettbewerber, gleichzeitig macht uns der demografische Wandel aber auch unternehmensintern zu schaffen: viele Mitarbeiter gehen auch bei uns in den nächsten Jahren in Rente und wie überall in der deutschen Wirtschaft merken auch wir, dass nicht einfach ausreichend neue Fachkräfte nachrücken. Diesen Bedarf wird der Markt nicht so einfach kurzfristig kompensieren können, denn eine Ausbildung zum Heizungsbauer bzw. Anlagenmechaniker SHK ist ein langer Weg. Beide Fronten führen daher zu langfristigen Herausforderungen in der Wertschöpfung bei uns. Wir haben Verpflichtungen und laufende Service- und Wartungsverträge. Wenn uns jetzt die Servicetechniker fehlen, dann ist das für uns in der Umsatzentwicklung klar mess- und ableitbar.
 

Stellt das nicht auch für die Zufriedenheit bestehender Mitarbeiter ein Problem dar? Denn schließlich müssen die ja die mangelnde Produktivität auffangen?

Klar! Letztendlich funktioniert das Unternehmen ähnlich wie ein Produktionswerk: wenn sie keine Produktionsleute mehr haben, dann können Sie entwickeln, was Sie wollen, aber am Ende kriegen Sie es halt nicht zusammengeschraubt. Im Endeffekt ist es bei uns ganz genauso. Wir können ganz, ganz viel verkaufen, der Vertrieb kann bärenstark sein, aber wenn uns die Servicetechniker fehlen, die das Produkt beim Endkunden in Betrieb nehmen bzw. später warten müssen, dann haben wir da erhebliche Einflüsse auf unsere Geschäftstätigkeit oder Unternehmensfähigkeit allgemein.
 

< >Tanja_Herrmann-Hurtzig

Tanja Herrmann-Hurtzig

Business Coach & Trainerin

Foto: Kerstin Wilkens

Gibt es für Unternehmen auch Chancen? Und wenn ja, welche? 

„Ja, ein Arbeitnehmermarkt kann auch Chancen für Unternehmen bieten, insbesondere wenn sie bereit sind, sich anzupassen und proaktiv zu handeln: Unternehmen können kreative Wege finden, um Talente anzuziehen. Was genau ist der gesuchten Zielgruppe wichtig? Sind es flexiblen Arbeitsmodelle, Home-Office-Möglichkeiten oder andere Voraussetzungen, die das Unternehmen attraktiv machen?

Durch die Öffnung für internationale Fachkräfte, Quereinsteiger und die Förderung einer inklusiven Arbeitsplatzkultur kann das Unternehmen von einer Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen profitieren. Hier ist wichtig die Kulturfrage im Unternehmen zu klären.

Statt externe Fachkräfte zu suchen, können Unternehmen in die Weiterbildung und Entwicklung ihrer aktuellen Mitarbeiter investieren, was langfristig zu mehr Engagement und Loyalität führt. Der Fachkräftemangel kann ein Katalysator für die Einführung neuer Technologien sein, die Arbeitsprozesse vereinfachen und die Effizienz steigern.

Ein positives Arbeitsumfeld und attraktive Konditionen können die Arbeitgebermarke stärken und das Unternehmen zu einem bevorzugten Arbeitgeber machen. Hier haben Familienunternehmen häufig einen Vorteil, weil sie persönlich geführt werden.“
 

ELCO-Servicetechniker

ELCO-Servicetechniker im Einsatz.

Foto: ELCO

Trotz aller Probleme: bietet der Arbeitnehmermarkt auch Chancen?

Ich glaube schon, dass es aus der Not heraus Chancen gibt, weil wir natürlich umdenken müssen. Wir beschäftigen uns mit der Frage: wie kann man effizienter gestalten? Können wir Aufgaben verlagern oder auch neue Aufgabenfelder generieren. Um im Servicebereich zu bleiben: können wir die Einsätze der Servicetechniker evtl. anhand der Komplexität selektieren? Ein Wartungseinsatz hat oftmals eine geringere Komplexität als ein Störeinsatz oder eine Inbetriebnahme. Aus Recruitingsicht bieten sich dadurch Möglichkeiten für Quereinsteiger, die in der Vergangenheit bei uns nicht im Fokus standen. Ein konkretes Beispiel: früher haben wir hauptsächlich den Fokus auf gelernte Heizungsbauer gerichtet. Mittlerweile sind wir breiter orientiert und nehmen auch Industriemechaniker, andere Techniker oder Mechatroniker, die wir mittelfristig weiterqualifizieren können.
 

Mit dem Thema interne Qualifikation setzen wir uns schon länger auseinander: um eine Wärmepumpe in Betrieb nehmen, warten oder instand halten zu dürfen, benötigt man einen Kälteschein. Das ist eine gesetzlich festgelegte Qualifikation, die nachweist, dass man über die erforderlichen Kenntnisse im Umgang mit Kältemitteln und Kälteanlagen verfügt. Diesen zu erwerben ist sehr kostspielig. Es gibt spezielle Ausbildungsinstitute, zu denen wir unsere Servicetechniker schicken könnten. Wir dagegen haben als Unternehmen schnell erkannt, dass wir uns besserstellen, wenn wir uns selbst als zertifiziertes Unternehmen qualifizieren lassen, welches den Kältescheine ausstellen darf. Somit können wir unsere Servicetechniker selbst zum Kältetechniker ausbilden. Das macht uns selbstverständlich auch für Fachkräfte attraktiv, denn unser Kälteschein ist unternehmensübergreifend verwendbar, nicht nur bei ELCO, sondern auch dann, wenn man ELCO verlassen sollte. Wir legen also einen sehr hohen Fokus auf das Thema Training und Weiterbildung.
 

Jetzt ist ELCO ja auch ein Familienunternehmen. Haben Sie das Gefühl, dass Familienunternehmen im Werben um Fachkräfte besser aufgestellt sind?

Aus meiner Perspektive: ja! Ich persönlich schätze es sehr in einem Familienunternehmen tätig zu sein. Aber wir merken natürlich, dass wir uns schwertun, den Mehrwert der Arbeit in einem Familienunternehmen nach außen zu tragen, dieses Familiäre, dieses Langfristige. Andererseits haben wir wie viele andere Familienunternehmen den Nachteil, dass unsere Standorte eher abseits der großen Ballungszentren liegen, und das ist natürlich ein Wettbewerbsnachteil. Aber ich glaube, dass wir intern, von unserer Kultur her, den Bewerbern schon einen gewissen Mehrwert mitgeben können. Also ich glaube schon daran, dass wir als Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben. Wir müssen nur stärker darum kämpfen, dass diese wahrgenommen werden.

Insbesondere in der aktuellen Zeit, in der sich sehr viel ums Geld dreht. Heute haben viele Leute hierzulande Angst, dass der deutsche Wohlstand zukünftig verloren gehen könnte und da ziehen finanzielle Argumente besonders gut. Geld sollte eigentlich nicht die Hauptmotivation für einen Job bei ELCO sein. Aber in der aktuellen Zeit können wir uns dem auch nicht entziehen. Da helfen auch die vielen Argument Pro-Familienunternehmen nicht. Dennoch: Wir haben lang gediente Mitarbeiter, 25 Jahre Betriebszugehörigkeit sind bei uns keine Seltenheit und ich glaube, das ist auch ein Zeichen dafür, dass wir schon Vieles richtig machen.
 

Wie schwierig ist die Vermittlung dieser Werte an die Gen Z?

Ich glaube, es braucht ein bisschen länger. Die Frage ist auch immer: wer ist die Zielgruppe? Das ist schon schwer, einen 20-jährigen so zu überzeugen: denk mal 30 Jahre in die Zukunft, da könntest du immer noch im selben Unternehmen arbeiten! Langfristigkeit ist inzwischen vielleicht auch nicht mehr das stärkste Argument. Ich glaube bei jungen Leuten ist es eher die Vielfältigkeit der Aufgaben und ein hohes Maß an Verantwortung, mit denen man ihr Interesse wecken kann.
 

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten müssen denn gute Führungskräfte mitbringen, um die Mitarbeiterbindung zu stärken?

Eine interessante Frage! Als Personaler finde ich die Qualitäten einer Führungskraft müssen, unabhängig davon ob sie in einem Familienunternehmen tätig sind oder nicht, überall gleich sein. Vertrauen, Übertragung von Verantwortung, Fairness, Empathie und Zwischenmenschlichkeit sind Soft Skills, die gute Führungskräfte beherrschen müssen. Familiäre Werte wie Zwischenmenschlichkeit, Vertrauen und Empathie sind schon Punkte, die in familiengeführten Unternehmen meines Erachtens eher verankert sind als in Großkonzernen oder einem Private Equity-Unternehmen. Gute Führungskräfte haben zu ihren Mitarbeiten enge Beziehungen. Und ich glaube, da gehört auch dazu, dass man Spaß miteinander hat.
 

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Celine Nadolny

Preisgekrönte Finanzbloggerin und Sachbuchkritikerin

Gibt es Unternehmen oder Branchen, die besser positioniert sind, um mit dem Fachkräftemangel umzugehen?

„Vor allem Unternehmen, die schon seit Jahren eine gelungene Employer Branding Strategie verfolgen und einen attraktiven Rahmen für ihre Mitarbeiter bieten können, werden die Nase vorn haben. Ob nun gewisse Branchen damit besser umgehen können, würde ich unbeantwortet lassen. Da gibt es sicherlich andere Einflussfaktoren.

Am Ende wird es darauf ankommen zu verstehen, was die gewünschten Mitarbeiter vom Unternehmen erwarten, das nach besten Möglichkeiten zu bieten und zielgerichtet nach außen zu kommunizieren.“
 

Lassen Sie uns abschließend noch in die Glaskugel schauen: welche Strategien sind erforderlich, um in Zukunft ein Unternehmen wie Ihres erfolgreich führen zu können?

Ich zähle mich selbst noch nicht zu einer älteren Generation, aber ich merke, dass auch ich mich anstrengen muss, um die Erwartungshaltung der jüngsten Generationen auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen und diesen gerecht zu werden.
Ich erlebe sehr oft, insbesondere in konservativ geführten Unternehmen, wie immer noch ein Mindset besteht, man müsse junge Generationen an das Bisherige anpassen. Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Unternehmen müssen anfangen sich mit den Erwartungshaltungen der neuen Generationen auseinanderzusetzen und sich darauf einstellen, den Leuten noch einen Schritt weiter entgegenzukommen, auch wenn sie sich teilweise noch dagegen sträuben. Das ist ein wichtiger Schritt auch für uns bei ELCO. Die Führung von Menschen ändert sich komplett. Weg vom Manager und hin zum Leader. Man muss vorleben, was man von den Mitarbeitern verlangt. Führung ist für mich das Bindeglied zwischen Unternehmensstrategie und Erfolg. Wenn die Führung nicht funktioniert, kann ich die tollste Strategie haben, aber sie kommt beim Mitarbeiter nicht an. Wir brauchen hier eine nachhaltige Führungskräfteentwicklung und eine gesunde Führungskultur.

Und dazu gehört auch das Thema mobiles Arbeiten. Dass Mitarbeiter 10 Jahre lang irgendwo in eine Location jeden Tag zur Arbeit kommen und sich micromanagen lassen, ist kein Standard mehr und wird es auch hoffentlich nicht mehr werden. Ich glaube, das sind alles Dinge, die Unternehmen auch als Chancen sehen müssen.
 

Interview: Maximilian Kaiser

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten.  Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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