Unternehmenskultur und Nachfolge

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Foto: Privat

Fünf Fragen an Experten Stefan Scheller

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Unternehmenskultur und Nachfolge. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie die Kultur ihr Geschäft beeinflusst und wie sie von verschiedene Unternehmergenerationen unterschiedlich geprägt wurde.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview erklärt HR-Influencer Stefan Scheller, was Führungskräfte leisten müssen, um eine gesunde Unternehmenskultur zu schaffen.

Das ist Stefan Scheller

Stefan Scheller, auch bekannt als „der Persoblogger“, ist HR-Influencer und Gründer von PERSOBLOGGER.DE, einer der bekanntesten deutschsprachigen HR-Websites sowie Podcaster mit Klartext HR. Seine Lernplattform PERSOBLOGGER CLUB bietet hochwertige Lernangebote für HR sowie praxisnahen Austausch in der Community. In seinem Hauptberuf arbeitet er bei der DATEV eG in Nürnberg und berät zu Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting.

Welche Elemente sind für eine gesunde Unternehmenskultur unverzichtbar?

Eine gesunde Unternehmenskultur schafft ein Arbeitsklima, bei dem Mitarbeitende gesund, motiviert und produktiv arbeiten können und dabei persönlich sowie fachlich gefördert werden. Dazu benötigt es aus meiner Sicht eine Reihe von Faktoren, wie z.B.:

  • Klare Werte und Mission: Eine gesunde Unternehmenskultur basiert auf klaren Werten und einer definierten Mission, die von allen Mitarbeitenden verstanden, geteilt und gelebt werden kann.
  • Offene Kommunikation: Eine Kultur, die offene Kommunikation fördert, schafft ein Umfeld, in dem Ideen ausgetauscht werden können, Probleme angesprochen und Lösungen gefunden werden können. 
  • Vertrauen und Respekt: Vertrauen und Respekt sind grundlegend für eine gesunde Unternehmenskultur. Mitarbeitende müssen sich sicher fühlen, ihre Meinungen zu äußern, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben. Diese „psychologische Sicherheit“ ist essenziell.
  • Anerkennung und Wertschätzung: Die Anerkennung von Leistungen und die Wertschätzung der Mitarbeitenden sind wichtige Elemente einer gesunden Unternehmenskultur. Dies motiviert Mitarbeitende, ihr Bestes zu geben und trägt zur Mitarbeiterbindung bei. Das Performancemanagement sollte daher darauf aufbauen.
  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit durch kontinuierliche Entwicklung und Weiterbildung: Nicht nur Trends wie die demografische oder technologische Entwicklung (Stichwort generative künstliche Intelligenz) fordern eine ständige Anpassung und Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Eine gesunde Unternehmenskultur basiert dabei auf ständigem Wachstum mittels Lernen.
  • Diversität und Inklusion sowie Ethik und Integrität: Eine gesunde Unternehmenskultur legt Wert auf ethisch korrektes Verhalten und Integrität in allen Geschäftspraktiken und fördert ein Umfeld, in dem Mitarbeitende moralisch richtige Entscheidungen treffen können. Es besteht der notwendige Raum für Vielfalt sowie der Anspruch inklusiv zu arbeiten.
     

Was müssen Führungskräfte leisten, um eine gesunde Unternehmenskultur zu fördern?

Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung und Förderung einer gesunden Unternehmenskultur. Auch wenn man ihre Rolle nicht mit noch mehr Anforderungen überfrachten sollte, sind sie es, die alle oben genannten Aspekte vorleben sollten. Darüber hinaus müssen sie es ermöglichen, dass Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten können – durch Schaffung von optimalen Rahmenbedingungen in Punkto Arbeitsort, Arbeitszeit, Methoden, Prozesse, Technologien usw.

Dabei begeben sich moderne Führungskräfte in eine unterstützende Rolle, die einerseits Sicherheit ausstrahlt, andererseits aber auch Eigenverantwortung stärkt.

 

Wann macht es für ein Unternehmen Sinn einen Kulturwandel anzustreben?

Einen Kulturwandel anzustreben, ist eine heikle Angelegenheit und gleichzeitig ein längerfristiges Unterfangen. Eine Unternehmenskultur basiert wie oben beschrieben aus einer Vielzahl von verschiedenen Faktoren, die kumulativ zusammenwirken. Anpassungen in Teilaspekten sind dabei ein erster Schritt, führen aber maximal über eine gewisse Zeitstrecke zu einem Kulturwandel.

In vielen Organisationen haben Mitarbeitende die fortlaufenden Anpassungen und Umorganisationen sowie das dazugehörige „Changemanagement“ bereits satt. Häufig liegt das daran, dass ihnen einerseits nicht klar ist, warum sich ihre Arbeitsumgebung (schon wieder) verändert und wie das gewünschte Zielbild aussieht.

Daher muss zur Vermeidung von Aktionismus erst ein erstrebenswertes Zielbild gemeinsam mit den Mitarbeitenden entworfen werden.

Leider passiert es aber auch viel zu oft, dass in Unternehmen zu wenig Anpassung passiert und damit die komplette Organisation in Schieflage gerät, z.B. wenn Rahmenbedingungen auf den Märkten sich massiv oder überraschend ändern.

Am besten kommen Unternehmen durch den Wandel bzw. die Transformation, wenn sie von Grund auf anpassungsfähig sind und dies durch die Unternehmenskultur gestützt wird.

 

Speziell bei Familienunternehmen: Ist Ihrer Meinung nach ein Generationenwechsel ein sinnvoller Zeitpunkt, um einen Kulturwandel einzuleiten oder ist hier eher Kontinuität gefragt?

Definitiv. Mitarbeitende sehnen sich häufig geradezu danach, dass beim Generationenwechsel aufgeschobene Veränderungen endlich angepackt werden. Zwar gibt es auch Mitarbeitende, die sich genau davor fürchten. Aber wie so oft wird man es eh nicht Allen gleichermaßen Recht machen können. So lange mit den Mitarbeitenden fair umgegangen wird, stehen die Interessen des Unternehmens erst einmal im Vordergrund.

Und manche arbeitnehmerinitiierte Trennung in diesem Zusammenhang kann den Kulturwandel sogar noch beschleunigen.    

Auch mit Blick auf Employer Branding ist der Zeitpunkt Generationswechsel optimal, weil dann die Veränderung der Unternehmenskultur glaubhaft transportiert werden kann.

Kontinuität ist meiner Meinung nach vor allem dort notwendig, wo es um die besagte psychologische Sicherheit geht – die übrigens nicht mit Arbeitsplatzsicherheit gleichgesetzt werden sollte.

 

Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen umsetzen, um ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?

Gerade in diesem Umfeld wird sehr viel angestrebt und versprochen, der Blick auf die Realität ist jedoch häufig ernüchternd. Es steht und fällt schon mit der Vielfalt im Top-Management sowie den Führungskräften. Wird hier Diversität und Inklusion schon nicht sichtbar, versanden Maßnahmen häufig oder werden zum medialen Papiertiger.

Unternehmen stehen als Arbeitgeber ständig im Fokus, beispielsweise auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu oder via Social Media – jede nichtglaubwürdige Kampagne wird dabei sofort abgestraft. Der Schaden für die Arbeitgebermarke ist ungleich größer, als wenn zuerst im Unternehmen selbst strukturelle Anpassungen erfolgen.

Dabei braucht es noch einmal deutlich mehr Fingerspitzengefühl, jede Menge Kommunikation und Transparenz, denn Vielfalt kann auch bedeuten, Menschen, die heute strukturell (zu) einseitig Macht innehaben, mit diverseren Zielgruppen in Ausgleich zu bringen.

 

Interview: Maximilian Kaiser

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten.  Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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