Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz - Yannik Winchenbach, HR Teamleiter bei Coroplast

Foto: Coroplast

Im Gespräch mit Yannik Winchenbach, HR-Teamleiter für Rekrutierung von Fach- und Führungskräften

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Künstliche Intelligenz. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger:innen führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie sie künstliche Intelligenz in ihrem Unternehmen bereits nutzen und was sich dadurch verändert.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview spricht Yannik Winchenbach mit uns darüber, wie KI den Bewerbungsprozess für beide Seiten erheblich vereinfacht.

Hat sich der Fachkräftemangel durch die Wirtschaftskrise entschärft?

Nein, durchaus nicht. Wir sprechen inzwischen auch nicht mehr nur von einem Fachkräftemangel sondern von einem Arbeitskräftemangel. Wir stellen fest, dass auch die Unternehmen im Bergischen Land wirtschaftlich unter Druck stehen. Restrukturierungen oder Entlassungen können wir bisher jedoch nur vereinzelt feststellen. Wenn Unternehmen Mitarbeiter freisetzten, dann tendenziell zunächst gering qualifizierte Mitarbeiter. Diese können jedoch unsere Personalbedarfe nur bedingt decken. Ergänzend wird diese Entwicklung durch unsere stetigen Investitionen in Automatisierung und Digitalisierung verschärft. Dies führt nicht zwangsläufig zu einem geringeren Personalbedarf, jedoch erhört es den Anspruch an eine qualifizierte akademische oder berufliche Ausbildung.

 

Künstliche Intelligenz - Coroplast Gebäude

Wie geht Coroplast das Thema KI an?

Wir haben seit circa drei Jahren eine Digitalisierungsstrategie, die auch das Thema KI umfasst. Dafür haben wir ein Digital Transformation Office ins Leben gerufen. Diese kleine Spezialistenabteilung innerhalb der IT beschäftigt sich unabhängig von den Fachabteilungen und Geschäftsbereichen des Unternehmens mit diesen neuen Technologien. Von dieser Abteilung ging die Aufforderung an alle Fachabteilungen, Projekte zu entwickeln, durch die wir unsere Prozesse durch den Einsatz von KI effizienter gestalten können. Um Pilotprojekte initiieren zu können wurde allen Fachabteilungen ein zusätzliches und thematisch gebundenes Budget zur Verfügung gestellt. Die Pilotprojekte sowie erste Ergebnisse oder Erkenntnisse wurden im Rahmen unserer jährlichen Planungstagung bereichsübergreifend präsentiert. Mein Team hat eine KI im Bereich Recruiting präsentiert.

 

Wie sieht dieses Projekt aus?

Bedingt durch den Fachkräftemangel ist in den letzten Jahren eine große Zahl an Plattformen entstanden, über die man Stellenanzeigen schalten kann. Neben den klassischen Karriereportalen und Stellenbörsen gibt es auch in den sozialen Netzwerken immer mehr Möglichkeiten, Jobs anzubieten oder zu finden – von LinkedIn oder Facebook bis Instagram oder Tiktok. Hinzu kommt die Möglickeit Stellenanzeigen als Werbung auf Websites zu schalten. Angesichts dieses kaum überschaubaren Markets wird es immer schwieriger zu entscheiden, wo eine Stellenausschreibung für uns den größten Nutzen bringt. Und genau in diesem Dickicht greift die KI ein. Wir teilen der KI unseren Bedarf mit und definieren die Aufgaben und die Erwartungen an den idealen Kandidaten. Die KI fast alle relevanten Merkmale in einer so genannten Persona zusammen und leitet daraus ab, auf welcher Plattform am wahrscheinlichsten diese Menschen anzutreffen sind, die dieser Persona weitmöglichst entsprechen. Dort platziert die KI dann unsere Stellenanzeige und wertet den Rücklauf aus. Fällt dieser zu gering aus, testet die KI andere Plattformen und entwickelt so eine Art „Erfahrungswert”. Darüber hinaus senkt die KI für potenzielle Kandidaten die Einstiegsschwelle in den eigentlichen Bewerbungsprozess.

 

Wie geschieht das?

Wo auch immer ein Kandidat unsere Anzeige sieht, braucht er nur auf einen Button “Ich habe Interesse” zu klicken. Die KI fragt dann die Kontaktdaten ab und anschließend tritt der Kandidat über einen Social Bot in einen Dialog mit der KI. Darin wird ermittelt, welche Ausbildung der Kandidat hat, wann er zur Verfügung steht, was ihm besonders wichtig ist bei der Arbeit und dergleichen mehr. Der Bot kann den Kandidaten sogar anrufen. Der Kandidat wiederum kann diesen Prozess jederzeit abbrechen, indem er nicht antwortet. Das alles ist für die Kandidaten barrierefrei, es gibt kein zeitliches oder örtliches Limit. Am Ende des Prozesses bittet der Bot dann darum, den Lebenslauf hochzuladen. Danach ist die Bewerbung abgeschlossen und auch erst dann für uns sichtbar. Wir auf der anderen Seite haben damit schon ein recht gutes Profil und können uns einen ersten Eindruck machen.

 

Ist die Akzeptanz dieser KI und dieses Bots bei jüngeren Menschen größer als bei älteren?

Das ist so. Jüngere Zielgruppen lassen sich damit eher erreichen als ältere. Auch nutzen Jüngere eher das Smartphone für die Bewerbung, Ältere bewerben sich dagegen vorwiegend vom heimischen Computer aus oder mit dem Laptop. Für uns ist es in allen Fällen wichtig, dass gerade zu Beginn die Barrieren für den Bewerbungsprozess so niedrig wie möglich sind. So können wir die ersten Fragen stellen, ohne dass sich ein Bewerber groß Gedanken machen muss, auf welchem Weg er antwortet.

 

< >Experte - Prof. Dr. Ralf Otte

Prof. Dr. Ralf Otte

Technische Hochschule Ulm

Foto: Privat

Warum ist es für die KI so schwierig, die Stufe der Kognition zu erreichen?

Die KI von heute ist eine rein mathematische KI. Aber Mathematik selbst hat Grenzen. Infolgedessen hat auch die KI Grenzen. Man muss also fragen, was die Mathematik nicht kann. Es gibt eine Komplexitätsstufe, die heißt Prädikatenlogik zweiter Ordnung, die kann die KI aus mathematischen Gründen nicht überschreiten. Wo haben wir eine solche Komplexitätsstufe? Zum Beispiel im Straßenverkehr. Also kann die KI niemals auf Dauer in Fahrzeugen voll autonom am Straßenverkehr teilnehmen. Die KI kann aus demselben Grund auch niemals autonom Recht sprechen und sie kann auch nicht alleine eine Behörde leiten. Vieles von dem, was in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, funktioniert schlichtweg nicht. Der Mensch wiederum unterliegt keinen mathematischen Gesetzen. Deshalb kann er Entscheidungen treffen, die mathematisch nicht machbar sind. Ein Grund liegt auch darin, dass es viele verschiedene Logiken gibt, die KI jedoch nur gut mit der Aussagenlogik und der Prädikatenlogik erster Stufe zurechtkommt. Das reicht aber nicht, denn selbst unser Bürgerliches Gesetzbuch - also der Rechtsrahmen in Deutschland - basiert auf der Prädikatenlogik zweiter Stufe.

Bis wohin vertrauen Sie der KI im Recuiting? Ist es denkbar, dass irgendwann der Bewerber oder die Bewerberin nur noch zur Unterschrift des Arbeitsvertrages persönlich vorbeikommt?

Das sehe ich nicht. Zum einen ist die KI nicht gut genug, zumindest bislang noch nicht. Wenn wir als Autozulieferer zum Beispiel einen Vertriebsexperten suchen, dann sollte das jemand sein, der sich mit den OEMs oder zumindest mit den ganz großen Zulieferern auskennt. Wir suchen also jemanden mit sehr speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten. Für die KI ist “Vertrieb in der Automobilindustrie” aber ein weites Feld. Da bekommen wir für eine Vakanz auch schon mal jemanden präsentiert, der vorher bei einem Auto-Händler Neuwagen verkauft hat. Es ist daher sehr wichtig, der KI immer ein Feedback zu geben, ihr zu sagen, was richtig war und was falsch. Wir müssen immer noch den gesamten KI-generierten Bewerbungseingang komplett nachbearbeiten. Ich bin aber davon überzeugt, dass die KI besser wird und in Zukunft den gesamten Anspracheprozess übernehmen kann. Sie wird auf die richtigen Netzwerke gehen, sie wird auf Kandidaten zugehen, Kontakte versenden. Sie wird später alle Erstgespräche übernehmen können. Der Bewerber spricht dann mit einem Avatar. Auf der anderen Seite bin ich aber auch davon überzeugt, dass die tatsächliche Einstellung eines Bewerbers immer durch einen Menschen erfolgen wird. Wir wollen den Bewerber persönlich einschätzen können. Und der Bewerber will wisssen, wer sein Chef ist, welche Ausstrahlung er hat, wie das Umfeld aussieht. Das alles wird eine KI nicht ersetzen können.

 

Interview: Bärbel Brockmann

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

© 2025 Der Entrepreneurs Club. Alle Rechte vorbehalten. Texte: nicht kommerzielle, auszugsweise Nutzung unter Quellenangabe https://www.karriere-familienunternehmen.de gestattet. Fotos: © 2025 Der Entrepreneurs Club / Coroplast Group