Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz - dmTECH Roman Melcher

Foto: dmTECH

Im Gespräch mit Roman Melcher, Geschäftsführer

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Künstliche Intelligenz. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger:innen führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie sie künstliche Intelligenz in ihrem Unternehmen bereits nutzen und was sich dadurch verändert.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview spricht Roman Melcher mit uns darüber, wie man mit einem KI-Chatbot seinen Einkauf vorbereiten kann.

Wie steht ein Einzelhandelsunternehmen wie dm zu neuen Technologien, wie zuletzt KI?

Als Händler stehen wir allem technologisch Neuen zunächst einmal positiv gegenüber und prüfen, ob wir es verwenden können und es unsere Prozesse verbessert. Denn Prozesseffizienz ist seit jeher das zentrale Thema im Handel. Deutschland ist schon sehr lange das Land mit den günstigsten Lebensmittel- und Drogeriepreisen in Europa. Um diese niedrigen Preise machen zu können, muss man die besten Prozesse haben, das ist entscheidend. Daran arbeiten wir pausenlos. Deshalb untersuchen wir jede relevante neue Technologie und natürlich auch KI im Hinblick darauf, wie sich dadurch Prozesse verbessern lassen.

 

dmTECH hat als IT-Dienstleister der dm-Gruppe einen eigenen KI-basierten Chatbot entwickelt. Warum haben Sie das gemacht?

Als ChatGPT im November 2022 veröffentlicht wurde, war uns sofort klar, welches Potenzial in der generativen KI steckt. An so genannten Natural-Language-Prozessen, also dem Sprachverstehen durch Maschinen, wurde schon viele Jahre zuvor gearbeitet. Aber es stand nicht die hohe Rechenleistung zur Verfügung, die man dafür brauchte und die wir heute haben. Deswegen sind mit dieser Sprachverarbeitung jetzt bahnbrechende Erfolge möglich. Das, was wir schon von der Bildbearbeitung her kannten, war auf einmal auch mit Sprache möglich: Eine Maschine versteht Sprache und kann sie selber generieren. Wir waren von daher sofort davon überzeugt, dass man diese neue Entwicklung nutzen kann, um noch produktiver zu arbeiten.

 

dmTECH - Chatbot

Wie ist das Feedback der Mitarbeitenden?

Schon im Frühjahr 2023, kurz nachdem ChatGPT herauskam, haben wir eine eigene sogenannte Instanz aufgebaut. Wir haben das Sprachmodell, das ChatGPT zugrunde liegt, genommen und es in eine eigene Cloud-Umgebung gebracht. Die ist für Dritte unzugänglich. Dadurch wird unser Chatbot den Auflagen der Datenschutzverordnung DSGVO gerecht. Inzwischen haben wir einerseits dmGPT als internes Tool für alle rund 90.000 Mitarbeitenden in 14 Ländern und andererseits dmKI für unsere Kundinnen und Kunden. Außerdem nutzen wir generative KI auch in Prozessen.

Zum Beispiel in unserem Serviceportal. Dort kann man sich melden, wenn es um technische Fragen, Defekte und dergleichen geht. Seit wir unseren KI-Chatbot dort einsetzen, haben die Anfragen an unsere Servicemitarbeitenden um 30 Prozent abgenommen. Der KI-Chatbot entlastet die Menschen von routinemäßigen Tätigkeiten. Da sind Maschinen einfach besser als der Mensch. Wir Menschen können uns mit der so freiwerdenden Zeit den Dingen zuwenden, die wir viel besser als die Maschinen können.
 

Wenn die Menschen entlastet werden, wird man nicht mehr so viele brauchen, oder?

Wir werden viel weniger haben. Wir haben heute 45 Millionen Erwerbstätige. Schätzungen gehen davon aus, dass wir in den nächsten sieben bis acht Jahren durch den Renteneintritt der Babyboomer-Generation etwa zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland verlieren. Die jungen Menschen, die auf den Arbeitsmarkt kommen, können diesen Schwund nicht kompensieren. Die zehn Prozent sind ersatzlos weg. Der Umsatz ist aber nicht kleiner. Es gilt also, diesen Verlust durch zehn Prozent Produktivitätssteigerung ausgleichen, sonst können wir die Menschen nicht mehr versorgen. Richtig ist aber auch, dass es Tätigkeiten von Menschen geben wird, die die KI komplett ersetzen kann.

 

Was machen diese Menschen dann?

Alle Beschäftigten sollten sich heute schon fragen, welche Tätigkeiten in zehn Jahren noch gebraucht werden und welche möglicherweise nicht. Wenn man sich rechtzeitig darauf einstellt, hat man auch dann gute Chancen am Arbeitsmarkt. Das ist eine Aufgabe, die übrigens nicht nur Beschäftigte haben. Auf der anderen Seite haben die Unternehmen die Aufgabe, die Menschen auf diesen Veränderungsprozess einzustimmen. Je früher man sich mit KI beschäftigt und je früher die Menschen sehen, was diese Maschinen können, desto schneller können sie sich auf das konzentrieren, was gebraucht wird. Ich bin relativ sicher, dass die Menschen, die das erkennen und die sich auf den Weg machen, in zehn Jahren nicht arbeitslos sein werden. Zumal wir bereits heute in unserer Gesellschaft unterversorgte Tätigkeiten haben, die auf absehbare Zeit nur Menschen machen können.

 

< >Experte - Kai Gondlach

Kai Gondlach

Zukunftsforscher, Autor und Geschäftsführer des PROFORE Zukunftsinstituts

Foto: Privat

Vernichtet KI Arbeitsplätze?

Sie wird viele Tätigkeiten ersetzen, die heute von Menschen gemacht werden. Angesichts des sich weiter vergrößernden Fachkräftemangels ist das auch gut. KI ist also ein Teil der Lösung dieses durch die Demographie ausgelösten Problems, dessen andere Seite ein riesiger Fortbildungs- und Umschulungsbedarf ist. Wir müssen KI künftig einsetzen, um bestimmte Sachen zu machen, weil die Menschen, die diese Sachen heute machen, in zehn Jahren in Rente gehen. Natürlich ist die Sache komplex und fordert viel Pragmatismus, auch von Betriebsräten und Gewerkschaften. Ich erlebe aber, dass die den Fragen, die sich durch KI ergeben, grundsätzlich offen gegenüberstehen.

Viele Beschäftigte haben die Sorge, dass ihr Arbeitsplatz wegfällt, sie aber noch 20 Jahre oder länger arbeiten müssen. Wie baut man diese Sorgen ab?

Zunächst einmal muss man sie ernst nehmen. Die Ängste sind da und sie sind unterschiedlich ausgeprägt. Die durch KI ausgelösten Veränderungen der Arbeit betreffen auch nicht alle Ebenen gleichermaßen. Die obere Führungsebene noch am wenigsten, denn von dort gehen die Veränderungen ja meistens aus. Es gibt zum Glück immer mehr Veranstaltungen zum Thema KI, in denen diese Sorge auch thematisiert wird. Aber ich bin auch überzeugt, dass wegen des Arbeitskräftemangels jeder gebraucht wird. Wenn es nicht in der einen Firma ist, dann in einer anderen. Arbeitgeber sollten die Mitarbeitenden dabei unterstützen, einen neuen Job zu finden. Im Übrigen hat es Wandel immer gegeben. Was man heute als Arbeitnehmer mehr braucht als früher, ist Flexibilität.

Was hat der Kunde vom KI-Chatbot?

Er hilft unseren Kundinnen und Kunden, sich bei dm zu orientieren. Unser Sortiment ist in vielen Teilen einfach, in anderen aber auch beratungsintensiv. Wenn es etwa um Hautpflege geht, um Haar-Colorationen oder auch Nahrungsergänzungsmittel, treten Fragen auf, die man nicht einfach über eine Google-Recherche beantwortet bekommt. Heute gehen die Kundinnen und Kunden zu den dm-Mitarbeitenden. Diese sind als Drogist ausgebildet und kennen sich aus. Alternativ kann sich die Kundin oder der Kunde über den KI-Chatbot dmKI aber auch selber Zugang zu den Informationen über ein Produkt verschaffen. Sie brauchen dazu nicht in einen dm-Markt zu gehen. Wir stellen uns vor, dass wir in Zukunft über den KI-Chatbot vielen anbieten können, was es bei dm an Kundenkontakten gibt.

 

Weil er natürliche Sprache versteht?

Ja, Kunden können eine Mensch-Maschine-Schnittstelle bedienen, weil sie für sie natürlich ist. Hinzu kommt, dass die Maschine sehr gut versteht, was Kunden wissen wollen. Bei einer Google-Suche bekommt man häufig eine Liste mit 40 oder 50 Treffern. Dann muss man darunter wieder selbst auswählen, denn nicht jeder Treffer ist gut. Mit den generativen Systemen wird die Ergebnismenge oft schon sehr verringert und zugespitzt. Dadurch wird das Ergebnis präziser, wenngleich noch immer die Gefahr des Halluzinierens besteht, also der Falschinformation. Aber die Gefahr des Halluzinierens ist in einem geschlossenen System, wie sie unsere KI-Tools sind, kleiner als in der weiten Welt des Internet. Unser KI-Chatbot dmKI greift nur auf unsere Artikeldatenbank zurück. Kunden bekommen verlässliche Antworten. Unser KI-Chatbot dmKI kann noch mehr als Produktberatung. Wer zum Beispiel sein Bild hochlädt, kann Lippenstifte ausprobieren und sehen, welche Farbe einem steht. Natürlich werden unsere Kunden trotz dmKI auch immer unsere Mitarbeitenden als Ansprechpartner finden, wenn sie es wünschen.

 

Interview: Bärbel Brockmann

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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