Transformation
Foto: MÖRK
Im Gespräch mit Jochen Kuppinger, Geschäftsführender Gesellschafter
In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Transformation. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger:innen führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie Digitalisierung, neue Technologien und viele weitere Veränderungen ihr Unternehmen prägen und verändern.
Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.
In diesem Interview spricht Jochen Kuppinger mit uns darüber, wie Transformation auch die Anforderungen an die Mitarbeiter:innen verändert.
Die Transformation bei MÖRK ist die von einem reinen Bauunternehmen zu einem Baudienstleister. Was hat den Ausschlag geben? Und wie sieht dieser Weg aus?
Den ersten Schritt auf diesem Weg hat schon vor rund 20 Jahren die Inhaberfamilie Brezger getan, als sie sich von den gewerblichen Einheiten getrennt hat. Wir konzentrierten uns bei MÖRK seither auf die Bauleitung und kauften die gewerbliche Leistung für die schlüsselfertige Bauausführung unserer Projekte zu. In einem weiteren Schritt wurden eigene Planungskompetenzen im Haus aufgebaut. Bis hierhin ist unser Weg derselbe, den auch viele andere Baufirmen gegangen sind. Jetzt gehen wir aber noch einen Schritt weiter. Wir werden Baudienstleister. Das heißt, wir beraten unsere Bauherren schon vor der Planung und lange vor Baubeginn. Wir analysieren den Kundenbedarf und beraten den Kunden zur Konzeption. Wir berücksichtigen die Umgebungsbedingungen und die baurechtlichen Rahmenbedingungen. Wir sorgen dafür, dass der Bauherr seine Baugenehmigung bekommt. Das Gebäude lassen wir durch geeignete Nachunternehmerfirmen errichten. Wir beauftragen, steuern und überwachen diese durchgängig und steuern auch alle weiteren Projektbeteiligten. Das Hauptaugenmerk liegt damit heute auf Projektmanagement und Projektsteuerung. Das Besondere der Transformation liegt in der Organisation und Strukturierung unserer Arbeit. Wir müssen unsere Prozesse so optimieren, dass das von uns angebotene Komplettpaket mit all den Risiken und Schnittstellen für uns wie auch für unsere Kunden wirtschaftlich erfolgreich wird. Dies bedeutet in erster Linie: Transparenz, Effizienz und natürlich viel Kompetenz.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?
Ohne digitale Prozesse und Tools würde diese Transformation nicht funktionieren. Nur mit ihnen lassen sich die Abläufe transparent und wirtschaftlich strukturieren und steuern. Gute Beispiele hierfür sind das Lean-Management, das klare prozessuale Steuerung der Planungs- und Bauabläufe ermöglicht und das Building Information Modeling, kurz BIM genannt. Das bedeutet, dass wir ein digitales Modell unseres Bauvorhabens anfertigen. Wir übersetzen alle Informationen also erst einmal in ein Computerprogramm und bauen damit ein Gebäudemodell in 3D. Zunächst ist es sehr übersichtlich und wird dann mit jeder weiteren Information und jedem Planungsschritt immer detaillierter. Dieses 3D-Modell ist quasi der digitale Zwilling unseres späteren Gebäudes. Man kann es auf dem Monitor „anfassen“, drehen und von allen Seiten innen und außen betrachten. Der Zwilling erlaubt uns auch darzustellen, was an Leistungen und an Materialien im Gebäude gebraucht wird. Also wie viel Quadratmeter Wände, in welchen Qualitäten und Wandstärken, wie viel Quadratmeter Decken, wie viele Türen welcher Art und Größe und so weiter. Wir können mit diesem Modell nun auch die Planung aller Fachdisziplinen bis hin zu den komplett detaillierten Bauausführungsplänen generieren beziehungsweise mit einbeziehen. BIM ist aber nur eine digitale Arbeitsmethode von vielen, die wir mittlerweile einsetzen.
Wie ändern sich dadurch die Anforderungen an die Mitarbeiter:innen?
Da findet auch eine Transformation statt. Im reinen Bauunternehmen hatte es der Bauleiter nur mit seinem Fachgebiet zu tun. Da war es wichtig, dass er fachlich qualifiziert war und auf dem neuesten Stand der Technik. Aber das reicht uns heute nicht mehr. Als Baudienstleister sind unsere Ansprüche an die Qualifikation der Mitarbeiter erheblich höher. Wir wollen ja als Berater schon vor der Bauplanung mit dem Kunden zusammensitzen, wir wollen im Bauamt mit am Tisch sitzen. Das erfordert einen ganz anderen Auftritt. Die Leute müssen rhetorisch gut sein, sie müssen selbstbewusst auftreten, denn sie müssen mit allen Beteiligten auf Augenhöhe sprechen können. Was den eigentlichen Bau betrifft, da findet eine Transformation vom, ich sage mal „Macher am Bau“ hin zu einem Manager statt. Heute geht es um strukturierte Projektsteuerung. Da sind andere Skills gefragt als nur das Fachwissen, das etwa ein Bauingenieur von der Ausbildung her mitbringt. Die Beratungsfähigkeit, die Haltung, die strukturierte und prozessuale Arbeit sind Fähigkeiten, die wir größtenteils im eigenen Haus intensiv schulen. Im Grunde handeln unsere Projektleiter wie jeder Unternehmer in einer Doppelrolle. Auf der einen Seite müssen sie den Kunden beraten, auf der anderen Seite die Baufirmen steuern.
Suchen Sie Mitarbeiter:innen, die haargenau auf eine Stelle passen oder stellen Sie auch Leute ein, die Sie dann im Unternehmen erst noch entwickeln?
Wir machen tatsächlich beides. Natürlich suchen wir Leute, die punktgenau zu uns passen. Die nicht nur alle technischen und Management-Skills haben, sondern auch menschlich auf unserer Linie sind. Und die mit ihrer Erfahrung auch eine neue Sichtweise mitbringen, denn sonst würden wir immer nur im eigenen Saft schmoren. Aber diese absolut passgenauen Leistungsträger zu finden, ist sehr aufwändig und langwierig und gelingt immer seltener.
Weil wir aber permanent nachbesetzen und rekrutieren müssen, suchen wir parallel dazu auch Quereinsteiger oder auch junge Leute, die schon viel mitbringen, aber noch keine große Erfahrung haben. Diese Leute entwickeln wir bei uns weiter. Wir hatten schon Mitarbeiter, da waren wir anfangs skeptisch. Und nach zwei, drei Jahren sind die dann fast unersetzlich im Hause geworden, weil sie sich so richtig in eine Position hineingearbeitet haben. Das meiste liegt im Charakter, der Haltung und der Einstellung.
Brauchen Sie im Zuge der Transformation zum Baudienstleiter auch Leute, die Sie vorher nicht gebraucht haben? Also etwa mehr Software-Ingenieur:innen?
Wir haben tatsächlich mittlerweile eine ganze Reihe Architekten im Planungsbüro, ihre Zahl bewegt sich deutlich im zweistelligen Bereich. Die fangen ganz vorne im Entwurf an, andere machen Baueingabepläne, die nächsten erstellen die Ausführungsplanung. Ebenso unterstützen sie bei der Kundenberatung. Ein solch komplettes Planungsteam gab es früher nicht im Unternehmen. Wir haben zusätzlich Haustechnik-Ingenieure, also Leute, die sich mit Heizung, Lüftung, Sanitär auskennen; diese sind ebenfalls beratend in der Konzeption und in der Projektleitung und Kostensicherung unterwegs. Und ja, wir haben mittlerweile auch deutlich mehr Leute im Bereich IT und Organisation. Die Organisationsentwicklung läuft bei uns parallel zur IT-Struktur. Das ist eine Abteilung, die in der letzten Zeit stattlich gewachsen ist und durch eine Stabsstelle Personalentwicklung zur stetigen Wissenserweiterung unterstützt wird.
Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung.
Foto: Simon Wegener
Welche Rolle spielen Personalvertretungen im Transformationsprozess?
Wenn ein Unternehmen einen Betriebs- oder Personalrat hat, muss er in den Transformationsprozess einbezogen werden. Sollten sich die Mitarbeitervertretungen dem Veränderungsprozess verweigern, dann braucht man gar nicht weiterzumachen. Die Belegschaftsvertreter können zwar nicht in wirtschaftlichen Angelegenheiten mitbestimmen, wohl aber bei sozialen und personellen Angelegenheiten. Und jede Veränderung hat immer auch mit Menschen zu tun. Wir empfehlen seit Jahrzehnten, den Betriebsrat oder Personalrat von Anfang an an den Plänen für eine Veränderung zu beteiligen. Diese Prozesse laufen sonst extrem schwerfällig, sie dauern unendlich lange, sie sind sehr teuer und sie kosten viel Kraft von allen Beteiligten.
Wann wird der Transformationsprozess bei MÖRK abgeschlossen sein?
Im eigentlichen Transformationsprozess befinden wir uns aktuell auf dem Höhepunkt. Wir haben die notwendigen Strukturen und Prozesse implementiert. Und wir haben die richtigen Leute. Jetzt müssen wir noch feinjustieren. Ich denke, dass wir Ende dieses Jahres sagen können, die Transformation von einem Bauunternehmen zu einem Baudienstleister ist vollzogen. Ich gehe aber gleichzeitig davon aus, dass wir uns angesichts der Marktentwicklung, der technischen Innovationen, wie auch der ständigen regulatorischen Veränderungen immer weiterentwickeln müssen. Das ist dann keine Transformation im engeren Sinne mehr. Unsere Transformation wird nahtlos übergehen in eine stetige Weiterentwicklung.
Interview: Bärbel Brockmann
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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