Transformation

JRS - Christian Henke

Foto: JRS

Im Gespräch mit Christian Henke, Chief Human Resources Officer

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Transformation. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger:innen führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie Digitalisierung, neue Technologien und viele weitere Veränderungen ihr Unternehmen prägen und verändern.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview spricht Christian Henke mit uns darüber, wie Transformation sich positiv auch auf die Nachhaltigkeit eines Unternehmens auswirken kann.

Was war der Anlass für die Transformation bei JRS?

Unser Change-Prozess findet im Bereich Personal statt. Es war innerhalb der JRS eine Verwaltungseinheit. Sie war dafür zuständig, Personal einzustellen oder in den Ruhestand zu schicken. Sie hat die Entgeltabrechnungen erstellt und wenn notwendig manchmal auch Kündigungen ausgesprochen. Das funktionierte so lange gut, so lange es immer genügend Bewerbungen für offene Stellen gab. Zudem arbeiten viele Mitarbeiter aus der direkten Umgebung bereits in dritter oder vierter Generation im Unternehmen. Im Zuge der demografischen Entwicklung hat sich diese Situation aber grundlegend geändert. Der Bewerbungseingang ging zunehmend zurück. Hinzu kam, das JRS zwar ein Hidden Champion ist, es in der Vergangenheit aber immer vorgezogen hatte, nicht groß in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten. Eine Mentalitätsfrage, schwäbische Bescheidenheit sozusagen. Dabei kann man sagen, dass eigentlich jeder Mensch täglich mit Produkten in Berührung kommt, in denen JRS Pflanzenfaser-Technologie steckt. Unsere Fasern sind einfach überall enthalten, von Lebensmitteln über pharmazeutische Tabletten, Kosmetik bis hin zu modernen Werk- und Baustoffen. Dennoch kennt uns kaum jemand. Das soll sich jetzt ändern. Wir müssen deutlich an Flughöhe gewinnen und jede Gelegenheit nutzen, JRS sichtbar zu machen, wenn wir die Leute bekommen wollen, die wir brauchen. Das ist an sich ganz einfach. Unsere Produkte sind nicht nur überall drin, sie bringen auch immer nachhaltigen Nutzen.

 

Können Sie das kurz erklären?

Wir verarbeiten nachwachsende, pflanzliche Rohstoffe, wie zum Beispiel Holz und daraus gewonnener Zellstoff oder Frucht- und Getreidepflanzen – oft in Form ressourcenschonender Produktionsnebenströme. Mit unseren Pflanzenfaser-Produkten machen wir der Industrie die vielen Funktionen zugänglich, die die Natur in der Pflanzenwelt von je her angelegt hat. Ein Baum kann Wasser transportieren, speichern, abgeben, die Pflanzenzellen bilden Strukturen und so weiter. Für unsere JRS Pflanzenfaser-Technologie nutzen wir die festen Bestandteile der Pflanzen und arbeiten sie mit modernster Produktionstechnologie zu feinen, oft pulverförmigen Stoffen mit festen Parametern auf, die sich in allen möglichen Industriebereichen bei Herstellprozessen zudosieren lassen. Die natürlichen Funktionen unserer Produkte machen Herstellprozesse bei unseren Kunden nachhaltiger, denn sie führen ganz oft zu spürbaren Material-, Energie- oder Transporteinsparungen, vermeiden Abfall oder machen Endprodukte langlebiger.

JRS - Maschinenarbeiter

 

 

Für alle, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, ist JRS daher ein attraktiver Ort zum Arbeiten. Dieses zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit beschert uns seit vielen Jahren ein enormes Wachstum, das noch lange nicht seinen Höhepunkt erreicht hat. Alle Industriebereiche wollen ihre Produkte nachhaltiger machen und wir helfen ihnen dabei. Das macht die Arbeitsplätze bei uns auch sicher und zukunftsfähig.

 

Welche Stoffe werden denn durch die Naturstoffe von JRS ersetzt?

Mit unseren Pflanzenfaser-Produkten ersetzen wir beispielsweise den Problemstoff Mikroplastik in der Kosmetikindustrie. Dieses Mikroplastik würde ansonsten über die Nahrungskette wieder auf unseren Tellern landen. Unsere Pflanzenfaser-Produkte sind grundsätzlich biologisch abbaubar und damit kreislauffähig. Sie kommen aus der Natur und gehen wieder in die Natur zurück. Ein anderes Beispiel ist der Ersatz von gefährlichem Asbest durch unsere Cellulosefasern. Früher wurde überall in der Industrie mit Asbestzusätzen gearbeitet, zum Beispiel bei vielen Baustoffen oder Bremsbelägen. Das haben wir durch unsere naturbasierte, umweltfreundliche Technologie abgelöst. Unsere Produkte ersetzen aber zum Beispiel auch den Sand in Werkstatt-Handwaschpasten. Der Sand hatte früher Syphons und die Kanalisation zugesetzt. Wir arbeiten stattdessen mit speziell geformten Holzfasern oder mit Maisgranulaten, die aus dem Strunk des Maiskolbens gewonnen werden.

 

Wie gehen Sie bei der Transformation vor?

Wir haben die Ausgangssituation genau analysiert. Dann haben wir das strategische Ziel festgelegt, uns von der bloßen Personalverwaltung hin zu einer Human Ressources-Einheit zu entwickeln. Das ist ein großes Change-Projekt, wenn man bedenkt, dass JRS weltweit rund 4.000 Mitarbeiter an über 90 Produktions- und Vertriebsstandorten beschäftigt. Wir werden moderne Formen des Recruitings anwenden. Dazu gehört unter anderem eine „Candidate Experience“, wo es darum geht, wie ein Bewerber einen Bewerbungsprozess empfindet. Wir werden für neue Mitarbeiter Einarbeitungspläne erstellen und ihnen einen Paten zur Seite stellen. Ein weiterer Schwerpunkt der HR Strategie ist das Talentmanagement. Wir werden künftig Feedback-Gespräche mit jedem Mitarbeiter führen. Dadurch sind wir in der Lage, Potenziale zu identifizieren und ganz gezielt Weiterbildung anzubieten. Die zukunftsweisende Attraktivität der JRS als Arbeitgeber wollen wir künftig noch aktiver nach außen tragen. All diese Methoden führen wir jetzt schrittweise bei uns im Unternehmen ein. 

 

Bedienen Sie sich dabei auch digitaler Tools?

Ja, und das ist sogar entscheidend für den Erfolg. Wir haben dafür mit der Implementierung der Software Workday begonnen in der wir all die eben beschriebenen Prozesse erfassen werden und künftig digital umsetzen. Das gesamte Bewerbermanagement findet dann in diesem System statt. Alle Führungskräfte an allen deutschen Standorten werden damit arbeiten. Wir erreichen damit eine sehr hohe Transparenz, die schließlich zu sehr viel mehr Effizienz führen wird. Im Rahmen der für nächstes Jahr geplanten JRS-Akademie werden wir neben Produkt-Trainings auch Online-Kurse für Mitarbeiter anbieten. Im Moment konzentrieren wir uns bei unserem Change-Prozess auf Deutschland. Danach werden wir alles zunächst in Europa und schließlich im Rest der Welt ausrollen.

 

Heißt das, dass HR dann näher an den operativen Einheiten steht?

Ja, mit dieser neuen Transparenz behalten wir die Prozesssicherheit und wissen zu jeder Zeit welcher Prozessschritt der nächste ist. Wir werden wissen, wo unsere Talente und Experten sitzen, wen man für eine Weiterentwicklung ansprechen kann. Man lernt auch schnell, ob eine Personalentscheidung richtig war oder nicht. Ob vielleicht derjenige Top-Entwickler, den man zur Führungskraft gemacht hat, dort wirklich hinpasst. Kurz: HR wird künftig Kontakt zu jedem Mitarbeiter und zu jeder Führungskraft haben und jederzeit wissen, was gebraucht wird. 

 

< >Expertin - Prof. Dr. Jutta Rump

Prof. Dr. Jutta Rump

Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE)

Foto: Simon Wegener

Wie empfinden Mitarbeitende Change-Prozesse im Betrieb?

Es kommt immer darauf an, welche Erfahrungen Mitarbeitende mit ihrem Unternehmen in puncto Veränderung vorher gemacht haben. Wenn sie das Gefühl haben, dass Veränderungen früher gut für sie ausgegangen sind, das alles ausgewogen und jederzeit nachvollziehbar war und in einem ehrlichen und offenen Klima stattfand, dann stehen Mitarbeitende neuen Ideen und Veränderungen meist positiv gegenüber. Sie zeigen dann auch Widerstandsfähigkeit und die Bereitschaft, auch in schlechten Zeiten mit dem Unternehmen durch ein Tal der Tränen zu gehen.

Welche Rolle spielt die Kommunikation im Transformations-Prozess?

Grundsätzlich ist wichtig, die ganze Organisation, also jeden, der von der Veränderung betroffen ist, frühzeitig zu informieren und die Fragen der Mitarbeiter und Führungskräfte zu beantworten. Denn der Prozess geht ja nicht von heute auf morgen über die Bühne. Es wird bestimmt zwei bis drei Jahre dauern, bis alles weltweit umgesetzt ist. Aber unser Projekt stößt nicht auf Ablehnung. Im Gegenteil: Bei unserem weltweiten Sales-Meeting im Februar kam in einem Workshop heraus, dass eine Transformation im Bereich Personal ein relevantes Thema ist, das allen sehr unter den Nägeln brennt.

Interview: Bärbel Brockmann

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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