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Fünf Fragen an Expertin Prof. Dr. Sonja A. Sackmann
In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Unternehmenskultur und Nachfolge. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie die Kultur ihr Geschäft beeinflusst und wie sie von verschiedene Unternehmergenerationen unterschiedlich geprägt wurde.
Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.
In diesem Interview erzählt Professorin Sonja A. Sackmann, woran man eine gesunde Unternehmenskultur erkennen kann.
Das ist Prof. Dr. Sonja A. Sackmann
Sonja Anita Sackmann ist eine deutsche Organisationspsychologin und Professorin mit Lehrstuhl an der Universität der Bundeswehr München. Ihre Fachgebiete sind Führung, Unternehmenskultur, Organisationsentwicklung und interkulturelles Management.
Welche Elemente sind für eine gesunde Unternehmenskultur unverzichtbar?
Zu einer gesunden Unternehmenskultur gehören:
- Offene, direkte Kommunikation auf Augenhöhe, konstruktives Feedback
- Vertrauensbasierte Zusammenarbeit
- Partnerschaftlicher Umgang miteinander
- Partnerschaftliche Führung
- Entwicklungsorientierung (Aus- und Weiterbildung; Coaching, Mentoring)
- Gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung von Leistung
- Regelmässiges Feedback
- Adäquates Fordern und Fördern (weder Bore- noch Burn-out)
- Adäquate (Work-) Life Balance
- Leistungsfähig auf allen Ebenen: Person, Gruppen/Teams, Organisation
- Achtsamkeit und Sensibilität
Was müssen Führungskräfte leisten, um eine gesunde Unternehmenskultur zu fördern?
Führungskräfte müssen die oben genannten Charakteristika ermöglichen und dabei eine Rollenmodelfunktion einnehmen. D.h. sie sollten
- selbst offen, direkt und auf Augenhöhe kommunizieren, auf jeden Einzelnen mit seinen/ihren Besonderheiten eingehen und konstruktives Feedback geben
- vertrauensbasiert und partnerschaftlich mit Kollegen und Mitarbeitenden umgehen
- Aus- und Weiterbildung sowie Coachings ermöglichen und ggf. auch selbst in eine Mentorenrolle schlüpfen
- ihren Mitarbeitenden Wertschätzung gegenüber ausdrücken und Leistung anerkennen
- ihren direkt Reports regelmäßig Feedback geben
- eine gute Balance zwischen Fordern und Fördern (weder Bore- noch Burn-out) bei ihren jeweiligen Mitarbeitenden finden
- eine adäquate (Work-) Life Balance vorleben und zulassen
- achtsam agieren und auch auf Zwischentöne achten
- als Resultat ergibt sich dann bei entsprechender Einstellung qualifizierter Mitarbeitender eine hohe Leistungsfähigkeit auf allen Ebenen
Wann macht es für ein Unternehmen Sinn einen Kulturwandel anzustreben?
Ein Kulturwandel kann in unterschiedlichen Situationen angezeigt sein. Symptome hierfür sind:
- Ausbleiben des wirtschaftlichen Erfolgs oder Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
- Exogene Veränderungen (rechtlich, politisch, demografisch, etc.)
- Eine Reihe von Kündigungen, hohe Fluktuation, hoher Krankenstand
- Probleme, qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten
- Dienst nach Vorschrift, Unmut/Lustlosigkeit bei Mitarbeitenden, Fehler häufen sich
Speziell bei Familienunternehmen: Ist Ihrer Meinung nach ein Generationenwechsel ein sinnvoller Zeitpunkt, um einen Kulturwandel einzuleiten oder ist hier eher Kontinuität gefragt?
Bei einem Generationswechsel sollte immer kritisch auf die vorhandene Unternehmenskultur geschaut werden, da es ein günstiger Zeitpunkt ist, ggf. einen Wandel einzuleiten. Jedoch ist nicht in jedem Fall ein Kulturwandel notwendig. Es sollte differenziert analysiert werden, was an der vorhandenen Unternehmenskultur geschätzt wird und gut ist, und was ggf. eine Anpassung, Erneuerung oder Veränderung benötigt.
Auch sollte die „neue Generation“ den Mut haben, wenn nach einer solchen kritischen Kulturanalyse sich die vorhandene Kultur als gut und für die Zukunft geeignet herausgestellt hat, auf Kontinuität zu setzen. Häufig wollen neue Top Führungskräfte ihren eigenen Stempel aufdrücken, auch wenn dies überhaupt nicht notwendig ist.
Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen umsetzen, um ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?
Hier hängt es davon ab, wo ein Unternehmen aktuell steht und dann sollte man da entsprechend anzusetzen.
Da der Umgang mit Diversität Aufwand benötigt, sollte man sich zunächst fragen:
- Wie viel kulturelle Vielfalt ist strategisch notwendig?
- Wie viel kulturelle Vielfalt ist unternehmenskulturell gewünscht?
- Welche unterstützenden Maßnahmen sind notwendig, um das gewünschte Ausmaß an multikultureller Vielfalt zu erreichen, zu erhalten und wirksam zu nutzen?
- Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind notwendig, um mit der kulturellen Vielfalt im täglichen Arbeitsprozess wirksam umgehen zu können?
Um Diversität und Inklusion zu ermöglichen, braucht es hierfür eine Sensibilität und Achtsamkeit. Dies fängt dann bei der Stellenausschreibung, dem Selektions- und Einstellungsprozess an und geht mit Begleitmaßnahmen weiter wie z.B. Coaching und Teamentwicklung. Vor allem braucht es eine Unternehmenskultur, die von den Charakteristika unter Frage 1 geprägt ist. Wichtig ist vor allem ein wertschätzender, offener, partnerschaftlicher Umgang miteinander unter Berücksichtigung der Spezifika der Beteiligten. So erfordert Diversität/Andersartigkeit mehr Zeit für Kommunikation, da die diversen Personen häufig unterschiedliche „Sprachen“ sprechen (z.B. zwischen verschiedenen Generationen und Geschlechtern, Regionen, Branchen, Nationen, Funktionen/Professionen etc.) und unterschiedliches Verhalten zeigen (verschiedene regionalen und nationalen Kulturen, aber auch zwischen verschiedenen Funktionen, Geschlechtern, Generationen, körperlich Gesunden und Behinderten, etc.)
Interview: Maximilian Kaiser
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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