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Fragen an Expertin Prof. Dr. Jutta Rump
In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Transformation, Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger:innen führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie
Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.
In diesem Interview erklärt Prof. Dr. Jutta Rump, die verschiedenen Faktoren und Herausforderungen, die Mitarbeiter:innen bei betrieblichen Veränderungsprozessen beeinflussen.
Das ist Prof. Dr. Jutta Rump
Prof. Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen (IBE) – eine wissenschaftliche Einrichtung der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und Forschungsschwerpunkt des Landes Rheinland-Pfalz.
Wie empfinden Mitarbeitende Change-Prozesse im Betrieb?
Es kommt immer darauf an, welche Erfahrungen Mitarbeitende mit ihrem Unternehmen in puncto Veränderung vorher gemacht haben. Wenn sie das Gefühl haben, dass Veränderungen früher gut für sie ausgegangen sind, das alles ausgewogen und jederzeit nachvollziehbar war und in einem ehrlichen und offenen Klima stattfand, dann stehen Mitarbeitende neuen Ideen und Veränderungen meist positiv gegenüber. Sie zeigen dann auch Widerstandsfähigkeit und die Bereitschaft, auch in schlechten Zeiten mit dem Unternehmen durch ein Tal der Tränen zu gehen. Wenn die Belegschaft aber die Erfahrung gemacht hat, bei früheren Veränderungen nur Figuren auf einem Schachbrett gewesen zu sein, wenn man glaubt, die eigenen Sorgen und Nöte werden nicht wahrgenommen und berücksichtigt, dann führt das zu einem hohen Maß an Verunsicherung. Und dann steht man einem Change-Prozess sehr distanziert gegenüber und empfindet ihn als risikoreich. Daraus resultieren Widerstände. Die Geschichte und die Kultur des Unternehmens und dessen Umgang mit Personal sind also entscheidend dafür, ob Mitarbeiter Veränderungen positiv oder negativ gegenüberstehen.
Welche Rolle spielt Kommunikation?
Kommunikation ist ein zentraler Stellhebel für das Managen von Veränderungen. Zusammen mit Partizipation. Sie ermöglicht es erst, Menschen mitzunehmen, Widerstände zu reduzieren und durch die Einbeziehung der Mitarbeitenden deren „Schwarmintelligenz“ zu nutzen. Das ist ganz entscheidend. Aber Kommunikation hat auch Grenzen. Reden ist gut, aber irgendwann muss eine Diskussion auch zu Ende sein. Es braucht dann eine Verbindlichkeit und Konsequenz. Die Unternehmensführung muss deutlich machen, in welche Richtung jetzt gemeinsam gegangen wird.
Wie oft gelingt eine Transformation im Unternehmen?
Wenn man eine Transformation ökonomisch und strategisch gut durchdenkt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch erfolgreich sein wird. Viele Unternehmen vergessen die menschliche Komponente. Es gibt seit vielen Jahren unzählige Studien, die das belegen. Die Ergebnisse sind immer gleich: Zwei Drittel aller gut durchgeplanten Veränderungsprozesse sind nicht erfolgreich. Sie scheitern, weil die Unternehmen den Prozess personell nicht im Griff haben. Nicht nur wegen Widerständen in der Belegschaft. Oft wird auch die Personalentwicklung nicht berücksichtigt. Es wird übersehen, dass manche Menschen einfach nicht mitkommen können, weil ihnen Kompetenzen und Qualifikationen fehlen.
Welche Rolle spielen Personalvertretungen?
Wenn ein Unternehmen einen Betriebs- oder Personalrat hat, muss er in den Transformationsprozess einbezogen werden. Sollten sich die Mitarbeitervertretungen dem Veränderungsprozess verweigern, dann braucht man gar nicht weiterzumachen. Die Belegschaftsvertreter können zwar nicht in wirtschaftlichen Angelegenheiten mitbestimmen, wohl aber bei sozialen und personellen Angelegenheiten. Und jede Veränderung hat immer auch mit Menschen zu tun. Wir empfehlen seit Jahrzehnten, den Betriebsrat oder Personalrat von Anfang an an den Plänen für eine Veränderung zu beteiligen. Diese Prozesse laufen sonst extrem schwerfällig, sie dauern unendlich lange, sie sind sehr teuer und sie kosten viel Kraft von allen Beteiligten.
Wie sollte ein Transformationsprozess ablaufen?
Zuerst muss das Ziel eines Veränderungsprozesses erarbeitet werden. In diesem Zusammenhang werden auch Trends und Entwicklungen analysiert. Es gilt folgende Fragen zu beantworten: Wo stehen wir heute? Was passiert in den nächsten fünf Jahren? Wie sehen die Trends aus und welche Auswirkungen haben sie auf unser Geschäftsmodell, auf unsere Geschäftspolitik und Geschäftsentwicklung? Wenn sich dabei herausstellt, dass die angenommene Situation in fünf Jahren eine andere ist als heute, weiß man, dass etwas verändert werden muss. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit passt das aktuelle Geschäftsmodell beziehungsweise die Geschäftsstrategie nicht mehr dazu. Anpassungen sind notwendig. Als nächstes ist zu überlegen, mit welchen Veränderungen die neue Strategie umgesetzt werden kann. Zudem müssen alle Beteiligten mit ins Boot geholt werden: die Führungskräfte, den Betriebsrat, die Mitarbeiter.
Sind externe Berater wichtig?
Es kann durchaus Sinn machen, externe Experten in den Prozess einzubeziehen. Aber es wäre sehr unvernünftig, die externen Experten alles machen zu lassen. Nicht selten präsentieren sie dann ihr ausgearbeitetes Konzept und alle Beteiligten fallen aus allen Wolken. Ein von außen aufgestülpter Transformationsprozess führt meist zu Widerständen. Weil er für viele nicht nachvollziehbar ist, weil man sich nicht einbringen konnte.
In welchem Spannungsverhältnis steht der akute Fachkräftemangel, den viele Unternehmen erleben, mit der Bereitschaft zur Veränderung?
Wer einen Fachkräftemangel hat, befindet sich schon in einem Veränderungsprozess. Man muss sich Gedanken darüber machen, wie das bestehende Geschäftsmodell fortgeführt werden kann, wenn nicht hinreichend Personal zur Verfügung steht. Es gilt über andere Prozesse und Strukturen, über mehr Automatisierung, Digitalisierung und dergleichen nachzudenken. Gleichzeitig ist es notwendig, die Attraktivität als Arbeitgeber zu stärken. Ziel ist es zum einen, in der Belegschaft die Identifikation, die Motivation und die Mitarbeiterbindung zu stärken. Zum anderen sollte die Attraktivität als Arbeitsgeber auf dem externen Arbeitsmarkt sichtbar sein, um Arbeitnehmer für das Unternehmen zu gewinnen. Der Fachkräftemangel ist immer mit einem Veränderungsprozess verbunden. Personal war auch früher schon in Veränderungsprozessen involviert. Aber nur als eine Komponente von vielen. Heute spielt Personal die Hauptrolle in Veränderungsprozessen. Hinzu kommt, dass sich die Gestaltung des Veränderungsprozesses unweigerlich auf die eigene Arbeitgebermarke auswirkt. Sie hinterlässt eine Spur. Macht ein Unternehmen seine Transformation vorbildlich, wird das mit großer Wahrscheinlichkeit einen positiven Effekt auf die Arbeitgebermarke haben. Macht es das nicht, wird sich das unweigerlich herumsprechen.
Manche Unternehmen sind noch sehr konservativ im Umgang mit den Mitarbeitern.
Wenn der Fachkräftemangel anhält oder sich noch verschärft, bleibt auch diesen Unternehmen nichts anderes übrig, als sich anzupassen. Sie werden sich mit der Kultur der Veränderung auseinandersetzen müssen, ansonsten werden die Mitarbeiter gehen und neue werden gar nicht erst kommen. Aber dieser konservative Ansatz in Unternehmen wird aus noch einem anderen Grund keinen Bestand haben: In vielen Familienunternehmen steht die Nachfolge an. Die Generation der Babyboomer geht in den Ruhestand. Eine neue Generation übernimmt Verantwortung. Ich habe die Hoffnung, dass sie anders tickt.
Interview: Bärbel Brockmann
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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