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Foto: IW Köln

Fünf Fragen an Experten Dr. Oliver Stettes

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Unternehmenskultur und Nachfolge. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie die Kultur ihr Geschäft beeinflusst und wie sie von verschiedene Unternehmergenerationen unterschiedlich geprägt wurde.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview erklärt Dr. Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft u.a. ob man einen Kulturwandel mit einem Generationenwechsel in einem Familienunternehmen verbinden sollte.

Das ist Prof. Dr. Oliver Stettes 

Dr. Oliver Stettes leitet seit dem 1. September 2022 das neu gebildete Forschungscluster Arbeitswelt und Tarifpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Bereits in den zwölf Jahren zuvor war er in leitender Funktion für die Forschungsarbeiten im IW zuständig, die sich mit der Entwicklung und Funktionsweise von Arbeitsmärkten, der Transformation der Arbeitswelt und dem Personalmanagement von Unternehmen beschäftigen. Sein besonderes Interesse liegt derzeit auf den arbeitsmarkt- und personalpolitischen Herausforderungen, die durch die Gleichzeitigkeit von Digitalisierung, De-Karbonisierung und demografischem Wandel entstehen. 

Welche Elemente sind für eine gesunde Unternehmenskultur unverzichtbar?

Eine Unternehmenskultur sollte als Leitplanke und Orientierung für die Menschen dienen, wofür eine Organisation steht, welche Werte und Haltungen wichtig sind, welche Handlungen erwünscht sind. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass es für die einzelnen Beschäftigten nicht die eine Unternehmenskultur gibt, sondern viele Arbeitskulturen parallel existieren. Und diese sind so unterschiedlich wie die Menschen, die in einem Unternehmen arbeiten. 

 

Was müssen Führungskräfte leisten, um eine gesunde Unternehmenskultur zu fördern?

Den Führungskräften kommt eine Schlüsselrolle zu, weil ihre Haltung und ihr Verhalten die Arbeitskulturen in den Teams und Abteilungen prägen. Es ist daher wichtig, erstens Führungskräfte für die Relevanz der als wichtig erachteten Aspekte zu sensibilisieren und sie dann zweitens zu motivieren, sich hierfür einzusetzen. Drittens, und das gerät vielerorts aus dem Blick, muss eine Geschäftsführung ihre Führungskräfte auch entsprechend unterstützen und sie nicht alleine lassen. Delegation reicht nicht, sondern kann die Führungskräfte in Rollenkonflikte treiben, mit denen widersprüchliche Signale in die Teams einhergehen. 

 

Wann macht es für ein Unternehmen Sinn einen Kulturwandel anzustreben?

Der Anstoß für einen Kulturwandel kann Irritationen erzeugen, denn bisher gewünschte Haltungen und bewährte Verhaltensroutinen werden auf den Prüfstand gestellt. Wie bei jedem Veränderungsprozess bedarf es der Transparenz, warum eine Änderung gewünscht ist und in welche Richtung diese Änderung gehen und worauf sie am Ende einzahlen soll. Man sollte sich als Geschäftsführung aber stets vor Augen führen, dass man einen Kulturwandel nicht befehlen kann, sondern sich die Arbeitskulturen durch Leben und Erleben im Alltag verändern. 

 

Speziell bei Familienunternehmen: Ist Ihrer Meinung nach ein Generationenwechsel ein sinnvoller Zeitpunkt, um einen Kulturwandel einzuleiten oder ist hier eher Kontinuität gefragt?

Ob und wann ein Kulturwandel angestoßen werden soll, sollte nicht von einem Generationenwechsel abhängen, sondern davon, ob es einer neuen Leitplanke und eines neuen Handlungsrahmens bedarf. Veränderungen in einer Unternehmensspitze gehen allerdings häufig auch mit veränderten Vorstellungen der beteiligten Personen einher, wie man die Zukunft gestalten möchte. Dies gilt nicht nur für Familienunternehmen.

 

Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen umsetzen, um ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müssen sich Geschäftsführungen und Führungskräfte gleichermaßen bewusst werden, dass die Heterogenität von Wünschen und Anforderungen in der Belegschaft zunimmt und diese Wünsche und Anforderungen nicht in Stein gemeißelt sind, sondern sich im Laufe der individuellen Erwerbsbiografien verändern, manchmal von einem Tag auf den anderen. Die große Herausforderung ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Belegschaftsangehörigen untereinander sowie die individuellen Bedürfnisse mit den betrieblichen Anforderungen adäquat auszubalancieren. Welche Maßnahmen hierfür geeignet sind, lässt sich nicht pauschal sagen. Wichtig ist hier, flexibel zu bleiben.

 

Interview: Maximilian Kaiser

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten.  Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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