Transformation
Foto: Groz-Beckert
Im Gespräch mit Kathrin Pross, Mitglied der Konzernleitung und Zentralbereichsleiterin Personal & Fabian Pick, Hauptabteilungsleiter Nadelproduktion
In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Transformation. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger:innen führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie Digitalisierung, neue Technologien und viele weitere Veränderungen ihr Unternehmen prägen und verändern.
Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.
In diesem Interview sprechen Kathrin Pross & Fabian Pick mit uns darüber, wie wichtig Transparenz und Kommunikation während einer Transformation im Unternehmen sind.
Groz-Beckert bezeichnet das neue „Gebäude 30“ am Firmensitz in Albstadt als Verkörperung einer Transformation. Wie ist das gemeint?
Kathrin Pross: Dieses neue Produktionsgebäude ist von sich aus schon herausragend und bietet die besten Voraussetzungen für eine Transformation. Alles ist offen und lichtdurchflutet, damit setzten wir für Produktionsgebäude einen neuen Standard. Auch bei den Pausenräumen: Schöne und ansprechende Pausenräume waren so kein Standard für unsere Produktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Dort gibt es jetzt eine Activity Zone mit einem Tischkicker und einer Dart-Scheibe an der Wand. Aber es gibt auch Ruhekabinen, in denen man ganz allein ist und sich erholen kann. Das sind aber nur die äußeren Zeichen eines Wandels. Mit dem Umzug der Produktion mit ihren 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dieses Gebäude setzen wir die digitale Transformation fort, und parallel dazu etablieren wir eine neue Führungskultur und neue Arbeitsweisen. Am Ende werden wir viel moderner aufgestellt sein als vorher.
Die Activity Zone im „Gebäude 30“.
Warum machen Sie das?
Fabian Pick: Wir sind davon überzeugt, dass wir dem Unternehmen dadurch langfristig seine Erfolgsposition sichern. Diese Transformation ist für uns eine große Investition in die Zukunft. Zugleich ist Effizienzsteigerung Ziel der Transformation, um damit einen ökonomischen Vorteil zu erwirtschaften. Aber die Entscheidung zur Veränderung hat noch einen dritten Aspekt: Wir wollen hier am Heimatstandort Konzepte und Technologien entwickeln können und danach in der ganzen Welt ausrollen. Das Gebäude 30 zeigt unser Commitment als Familienunternehmen zum Standort Albstadt.
Was ändert sich auf der technischen Seite?
Fabian Pick: Wir haben eine ganze Reihe neuer digitaler Technologien und neuer Konzepte eingeführt. Dazu zählt zum Beispiel unser Projekt der papierlosen Fertigung. Wir verabschieden uns vom Papier und setzen stattdessen digitale Dashboards und Medien ein. Man sieht seine Kennzahlen in Echtzeit auf dem Bildschirm, etwa zur Ausbringung oder zur Performance. Künftig muss der Teamleiter nicht mehr steuernd eingreifen und jedem sagen, was er zu tun hat. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich alle relevanten Daten direkt digital abrufen. Darüber hinaus werden wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker in die Entwicklung neuer Produkte und Technologien einbeziehen. Sie werden mitverfolgen können, wie ein neues Produkt zur Serienreife gelangt. Für einen jungen Menschen, der eine Ausbildung oder ein duales Studium machen will, ist eine moderne Produktion deutlich attraktiver.
Gründerin und Inhaberin der unabhängigen Beratung Mi[de] - Mittelstand denken.
Foto: Privat
Gibt es Branchen die von Disruption stärker betroffen sind als andere?
Ich glaube, dass einige Branchen denken, sie seien noch verschont. Dort denkt man, Digitalisierung oder auch künstliche Intelligenz, die betreffen sie nicht. Das stimmt aber nicht. Alle müssen sich Gedanken machen und ihre Unternehmen anpassen. Dennoch ist es sicherlich so, dass einige Branchen heute mehr im Fokus stehen, andere kommen vielleicht etwas später. Besonders sichtbar ist Transformation derzeit in der Automobilindustrie. Sie steckt mitten in der Transformation hin zu Elektrofahrzeugen oder anderen Antriebstechnologien. Diese Disruption wurde von Tesla angestoßen und hat zu einer massiven Marktveränderung geführt. Hinzu kommt, dass die deutschen Autobauer die chinesische Konkurrenz lange nicht erst genommen haben. Jetzt sind auf einmal Chinesen technologisch besser.
Was ändert sich in der Arbeit selbst?
Kathrin Pross: Wir arbeiten im Drei-Schicht-System. Schichtarbeit ist aber gerade bei jungen Leuten nicht sehr beliebt. Deshalb arbeiten wir an weiteren flexiblen Arbeitszeitmodellen für die Produktion. Die Teams in der Produktion bekommen mehr Eigenverantwortung. Sie können sich bis zu einem bestimmten Grad selbst steuern. Man kann mal länger und mal kürzer arbeiten. Entweder ein Kollege springt dann ein oder das ist gar nicht nötig, weil das Tagesziel oder das Wochenziel schon vorher erreicht wurde. Wir haben auch eine transparente Entgeltsystematik eingeführt, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Weiterentwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Und wir zeigen mehr von der Produktion. Früher war sie aus Gründen des Know-how-Schutzes ein streng abgegrenzter Bereich. Wir öffnen uns, weil wir mehr Menschen für die Produktion begeistern wollen.
Sie wollen also attraktiver werden?
Kathrin Pross: Ja, wir möchten durch den Wandel als Arbeitgeber auch attraktiver werden, und das ist angesichts der demographischen Entwicklung auch nötig. Es geht aber nicht nur darum, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, sondern auch darum, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Bei uns gibt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sind schon 40 Jahre im Unternehmen. Aber grundsätzlich ist es heute so, dass die Menschen wechselwilliger sind als noch vor einigen Jahren. Für uns ist es also wichtig, sie so lange wie möglich bei uns zu halten, und die Voraussetzung dafür ist, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und zum Beispiel gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu bieten.
Wie schaffen Sie es, die Transformation für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter akzeptabel zu machen. Die einen freuen sich sicher über eine neue, eigenverantwortlichere Arbeit, andere schrecken davor vielleicht zurück.
Fabian Pick: Eine gute Kommunikation sowie Transparenz sind das A und O. Wir haben von Anfang an erklärt, warum wir diese Veränderungen machen wollen. Wir haben sehr viel Zeit in Info-Veranstaltungen und in Workshops investiert. Auf diese Weise nehmen wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit und zeigen die Chancen des Wandels auf. Es gibt beispielsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nahe des Renteneintritts, die sich nicht mehr verändern möchten. Aber eine gute Kommunikation ermöglicht es ihnen wenigstens zu verstehen, warum wir so handeln.
Kathrin Pross: Am Anfang gab es viele Unsicherheiten. Jeder fragte sich, was der Wandel denn nun für ihn persönlich und seinen Arbeitsplatz bedeutet. Eine gewisse Unsicherheit ist heute sicher noch da, aber ich glaube, wir haben es durch eine transparente, offene und regelmäßige Kommunikation geschafft, viele Unsicherheiten zu verringern. Wir haben bereits vor über einem Jahr mit der Transformation begonnen, zum Beispiel durch Pilotprojekte zur Arbeitszeitflexibilisierung im Schichtmodell oder zur geregelten Selbststeuerung im Team. Ein weiteres Beispiel ist das frühzeitige Kennenlernen der neuen Arbeitsteams und Fertigungssysteme. Es wurde immer wieder Feedback eingeholt und kritische Anmerkungen in der Weiterentwicklung dieser Themen berücksichtigt. Das war sehr wichtig. Bisher haben wir überwiegend positives Feedback zu dem Wandel in der Führungskultur bekommen, der sich hier vollzogen hat. Eine nachhaltige Änderung der Kultur bekommen wir nur hin, wenn wir das gemeinsam entwickeln, die Führungskräfte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen.
Das „Gebäude 30“ von außen.
Wären Transformationen wie die bei Groz-Beckert ohne Digitalisierung möglich?
Fabian Pick: Die Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle, denn sie bietet uns auf unserem Weg nach vorne sehr viele Chancen. Natürlich hat nicht jede Digitalisierungslösung einen Return on Investment innerhalb von kürzester Zeit. Digitalisierung ist unter anderem ein Prozess der vielen Einzelschritte, die alle im großen Kontext zur Zielerreichung beitragen. Aber Digitalisierung allein führt eine Transformation nicht zum Erfolg. Die Veränderung funktioniert nur, wenn auch die personellen Aspekte stimmen und alles ineinandergreift. Wir werden am Ende der Transformation eine sehr effektive Produktion haben und ein sehr attraktiver Arbeitgeber sein.
Interview: Bärbel Brockmann
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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