Expertin - Fabienne Hermann

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Unsere Fragen an Expertin Dr. Fabienne Herrmann

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Unternehmenskultur und Nachfolge. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie die Kultur ihr Geschäft beeinflusst und wie sie von verschiedene Unternehmergenerationen unterschiedlich geprägt wurde.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview erklärt Gründerin Dr. Fabienne Herrmann, wie wichtig Unternehmenskultur und Werte für neue Generationen sind.

Das ist Dr. Fabienne Herrmann

Dr. Fabienne Herrmann ist Unternehmensgründerin, Content Creatorin und steht in ihrer Arbeit in direktem Austausch zu den Generationen junger Erwachsener. Mit dem Instagram Account „Bibi Bilanzierung“ erreichen sie und ihr Team täglich tausende BWL-Studierende und Young Professionals.

Passen Familienunternehmen und die junge Generation an Arbeitnehmer:innen zusammen? 

Definitiv. Ich merke im täglichen direkten Austausch mit Studierenden und Young Professionals, dass sie eine sehr werteversierte Generation sind, was wunderbar zu Familienunternehmen passt. Für sie ist es besonders wichtig, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist und einen längerfristigen positiven Beitrag leistet. Sie suchen nach Unternehmen, die ihre Werte teilen und sich z.B. für soziale oder Umweltbelange einsetzen. Familienunternehmen können oft besser auf diese werteorientierten Bedürfnisse der jungen Generationen eingehen, da sie häufig eine stärkere Unternehmenskultur und -identität haben, die auf familiären Werten und langfristigen Zielen basiert.

 

Welche Elemente umfassen eine Unternehmenskultur?

Meiner Meinung nach kann Unternehmenskultur eher breit ausgelegt werden und sich ganzheitlich auf Unternehmen und seine Umwelt in Bezug auf Lieferanten, Kunden und Kapitalgeber beziehen. Etwas enger betrachtet ist Unternehmenskultur aber insbesondere ganz bedeutsam für die Mitarbeitenden. Denn keiner ist so nah am Unternehmen – räumlich und zeitlich – wie jene Leute, die tagtäglich ihre Zeit und Anstrengungen in das Unternehmen investieren. Zu einer gesunden Unternehmenskultur gehören also insbesondere klare Unternehmenswerte, die von allen Mitarbeitenden geteilt und gelebt werden.

Eine Unternehmenskultur kann dabei jedoch viele unterschiedliche Aspekte umfassen, wie bspw. Führungskultur, Organisationskultur, Fehlerkultur, Kommunikationskultur oder auch Innovationskultur. Diese einzelnen Elemente greifen ineinander und sollten in sich ein stimmiges Gesamtkonzept ergeben.

 

Welche Elemente sind für diese jüngere Generation für eine gesunde Unternehmenskultur unverzichtbar?

Junge Erwachsene schätzen beispielsweise eine offene, unterstützende und authentische Führung. Sie bevorzugen Führungskräfte, die zugänglich sind, Feedback geben und die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden fördern. Eine Führungskultur, die auf Vertrauen, Respekt und Zusammenarbeit basiert, spricht diese Werte der Generation an und kann zu einer höheren Mitarbeiterbindung führen. Zudem suchen sie nach einer Arbeitsumgebung, die von Teamwork, gegenseitigem Respekt und einer positiven Atmosphäre geprägt ist. Eine Organisationskultur, die Vielfalt und Inklusion fördert, Chancengleichheit bietet und die Meinungen der Mitarbeitenden wertschätzt ist dahingehend unverzichtbar. Auch eine offene Kommunikationskultur ist wichtig, denn diese fördert Transparenz und Vertrauen. Für junge technologiebegeisterte Generationen ist sicherlich auch eine Innovationskultur bedeutsam, die offen für neue Ideen und Veränderungen ist und Mitarbeitende dazu ermutigt und den nötigen Freiraum dazu bietet, neue Lösungen zu finden.

 

Was müssen Führungskräfte leisten, um eine gesunde Unternehmenskultur für die junge Generation an Arbeitnehmer:innen zu fördern?

Unsere Erfahrungen zeigen, dass es ganz bedeutsam ist, dass Führungskräfte eine offene Kommunikation fördern, in der sich junge Mitarbeitende gehört und geschätzt fühlen. Dazu gehört es auch, klare Erwartungshaltungen und Zielsetzungen rechtzeitig zu kommunizieren, beispielsweise über regelmäßige Feedbackgespräche. Das schafft Vertrauen und Transparenz zwischen den einzelnen Ebenen und Bereichen im Unternehmen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Führungskräfte die Möglichkeiten geben, dass sich Mitarbeitende persönlich und beruflich weiterentwickeln können. Wir haben Umfragen unter unseren mehr als 50.000 Followern durchgeführt, die klar zeigen, dass die meisten jungen Erwachsenen eine starke Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung und persönlichen Entwicklung mitbringen. Dem kann z.B. durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen oder das konkrete Aufzeigen von Entwicklungschancen innerhalb des Unternehmens begegnet werden. Meines Erachtens ist es auch eine klare Aufgabe von Führungskräften, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Teamwork und Zusammenarbeit zu schaffen, um eine Kultur der Unterstützung zu fördern.

 

Wann macht es für ein Unternehmen Sinn, einen Kulturwandel anzustreben?

Eine schwierige Frage, die sich nicht ganz pauschal beantworten lässt. Eine Unternehmenskultur muss sich stets den externen Rahmenbedingungen, wie bspw. Marktentwicklungen, anpassen, aber auch den Unternehmenszielen und Erfolgsfaktoren, welche durch die Shareholder definiert werden. Ein Unternehmen sollte also einen Kulturwandel in Betracht ziehen, wenn sich abzeichnet, dass seine bestehende Kultur nicht mehr den Anforderungen der sich verändernden Arbeitswelt oder den Unternehmenszielen entspricht. Dies kann sich beispielsweise durch eine hohe Mitarbeiterfluktuation, geringe Mitarbeiterzufriedenheit oder Probleme bei der Erreichung von Unternehmenszielen abzeichnen. Eine hohe Mitarbeiterfluktuation kann beispielsweise auch darauf hindeuten, dass die Unternehmenskultur nicht mehr den Anforderungen der Generation entspricht, die aktuell in das Berufsleben einsteigt. Auch externe Faktoren wie veränderte Marktbedingungen, andere Arbeitnehmereinstellungen – bspw. New Work – oder technologische Entwicklungen können den Bedarf für einen Kulturwandel signalisieren. Darüber hinaus kann ein Unternehmen einen Kulturwandel anstreben, um sich besser auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten oder eine neue strategische Ausrichtung umzusetzen. Letztendlich ist ein Kulturwandel dann sinnvoll, wenn er dazu beiträgt, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg des Unternehmens zu sichern.

 

Speziell bei Familienunternehmen: Ist Ihrer Meinung nach ein Generationenwechsel ein sinnvoller Zeitpunkt, um einen Kulturwandel einzuleiten oder ist hier eher Kontinuität gefragt?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Kontinuität ist meist ein wichtiger Aspekt in Familienunternehmen, insbesondere wenn die bestehende Kultur ein wesentlicher Teil des Unternehmenserfolgs und der Unternehmensidentität ist. In solchen Fällen kann ein zu plötzlicher, radikaler Kulturwandel zusammen mit einem Generationenwechsel auf der Führungsebene zu Unruhe und Unsicherheit für Mitarbeitende oder auch Kapitalgeber führen. Der Fokus sollte demnach nicht auf einer disruptiven Neuausrichtung, sondern vielmehr auf einer nachhaltigen Weiterentwicklung liegen. Nur so können die Interessen aller Mitarbeitenden berücksichtigt werden, ohne sich zu sehr auf eine Generation zu fokussieren. Ein Kulturwandel sollte also gut überlegt sein und zu den Mitarbeitenden und den Unternehmenszielen passen.

Andererseits kann ein Generationenwechsel einen Anreiz bieten, um eine bestehende Kultur zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. So kann sichergestellt werden, dass das Unternehmen den neuen Gegebenheiten und Anforderungen gerecht wird. Insbesondere wenn die Visionen und Strategien der neuen Generation sich stark von denen der vorherigen Generation unterscheiden, kann sich hier die Chance für einen Kulturwandel bieten, der notwendig ist, um die Ausrichtung des Unternehmens entsprechend anzupassen.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass es in Familienunternehmen keinen solch radikalen Kulturwandel bedarf, wie das vielleicht bei einem Unternehmen mit sehr kurzfristiger Gewinnorientierung der Fall ist. Durch die Langfristperspektive von Familienunternehmen wird quasi per Definitionem bewusst Verantwortung übernommen: Familienunternehmen sind oft regional stark verankert, engagieren sich für regionale Belange und agieren sehr achtsam in ihrem Umfeld. Damit ist die Fähigkeit sich mit dem Unternehmen zu identifizieren einfacher als bei einem Unternehmen, wo ein ständiger, vergleichsweise anonymer Wechsel der Geschäftsführerebene stattfindet.

Insgesamt sollte die Entscheidung für oder gegen einen Kulturwandel beim Generationenwechsel abgewogen werden, unter Berücksichtigung der spezifischen Situation, der Unternehmenskultur und der langfristigen Ziele des Familienunternehmens. Gleichzeitig lässt sich ein Kulturwandel vermutlich nie ganz vermeiden, wenn ein Generationenwechsel erfolgt. Dessen sollte man sich bewusst sein und proaktiv für eine klare Kommunikation sorgen. Es ist wichtig, dass die beteiligten Parteien offen und transparent kommunizieren und gemeinsam eine Strategie entwickeln, welche die Interessen aller Stakeholder berücksichtigt.

 

Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen umsetzen, um ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?

Vielfalt und Inklusion sind weit mehr als nur eine Rollstuhlrampe und genderneutrale Stellenanzeigen – aber genau da beginnt die Arbeit jedes Unternehmens. Es gilt insbesondere, auf der Ebene der Unternehmensleitung zunächst ein Bewusstsein für die Bedeutung des Themas zu schaffen und konkrete Strategien zu entwickeln. Vor allem die jüngeren Arbeitnehmer:innen-Generationen setzen sich verstärkt für Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz ein. Sie erwarten, dass Unternehmen eine vielfältige Belegschaft fördern und eine inklusive Arbeitsumgebung schaffen. Dahingehend ist es notwendig, regelmäßig zu kommunizieren, welche Maßnahmen konkret umgesetzt wurden und mit welchem Erfolg. Zum Beispiel könnten regelmäßige Schulungen für Mitarbeitende dabei helfen, ein Bewusstsein für Vielfalt und Inklusion zu schaffen und Vorurteile abzubauen. Zusätzlich sollte das Unternehmen konkrete Maßnahmen im Rahmen der Rekrutierungs- und Auswahlprozesse integrieren um sicherzustellen, dass Vielfalt aktiv gefördert wird. Auch durch eine systematische Zusammenstellung von Projektteams und Führungsgremien mit unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen, können die Vielfalt gefördert und innovative Lösungen geschaffen werden. Barrieren können erkannt und gezielt abgebaut werden.

Betrachtet man nochmal ganz explizit den „Nachwuchs von morgen“ wird es immer bedeutsamer, flexible Arbeitsmodelle anzubieten, die es Mitarbeitenden ermöglichen, Arbeit und Privatleben besser zu vereinbaren. Die Work-Life Balance wurde längst zur Life-Work Balance und hört hier auch nicht auf. Das ist ein wirklich ganz ausschlaggebender Punkt, der mir selbst im direkten Austausch mit der heutigen Generation Studierender und junger Berufseinsteiger:innen immer wieder begegnet. Auch hierzu haben wir auf Umfragen unter unseren Followern gemacht, die bestätigen, dass junge Erwachsene solche Arbeitgeber schätzen, die ihnen flexible Arbeitszeiten, Home Office und unterstützende Maßnahmen ermöglichen, um persönlichen Interessen und Verpflichtungen außerhalb der Arbeit nachgehen zu können.

Indem ein Unternehmen solche Aspekte mitdenkt und entsprechende Maßnahmen umsetzt, ist es in der Lage, Vielfalt und Inklusion aktiv zu fördern. Nur so kann es ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich Mitarbeitende geschätzt, respektiert und gehört fühlen. Dies wiederum dürfte sich positiv auf deren Zufriedenheit, Motivation und Leistungsfähigkeit auswirken – eine klare Win-win-Situation.

 

Interview: Maximilian Kaiser

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten.  Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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