Unternehmenskultur und Nachfolge
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Im Gespräch mit Dr. Oliver Kohmann, Head of Corporate Learning & Growth bei TRUMPF
In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Unternehmenskultur und Nachfolge. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie die Kultur ihr Geschäft beeinflusst und wie sie von verschiedene Unternehmergenerationen unterschiedlich geprägt wurde.
Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.
In diesem Interview erzählt Dr. Oliver Kohmann, wie TRUMPF die Feedbackkultur handhabt und wie wichtig der Hauptstandort Ditzingen für die Unternehmenskultur ist.
Herr Dr. Kohmann, wie würden Sie die Vision und die Werte von TRUMPF beschreiben?
Einerseits ist die Kultur unseres Unternehmens stark von der Unternehmerfamilie Leibinger-Kammüller geprägt. Diese sprichwörtlich schwäbisch-protestantische Haltung, die sich nicht zuletzt in einem sehr wertschätzenden Miteinander widerspiegelt, ist sicherlich ein Kernelemente der Firma. Ein weiterer Aspekt, der unsere Kultur erheblich prägt, wird in unserer Vision und insbesondere auch unserem Purpose angesprochen: „Unlocking technological worlds for generations to come.“ Die Begeisterung für die Suche nach immer wieder neuen Lösungen, sich nie mit Bestehendem zufriedenzugeben – diese Forscherleidenschaft ist tief in der TRUMPF-DNA verankert.
Ich erlebe eine große Offenheit und Neugierde hinsichtlich der Frage, inwiefern die Unternehmenskultur sich immer wieder mit der Zeit weiterentwickeln muss. Eine Haltung und Bereitschaft offen für Veränderungen zu sein, ein fluides Übersetzen der Werte in die jeweilige Zeit — das ist die TRUMPF-Kultur!
Leiter des Forschungsclusters Arbeitswelt und Tarifpolitik am IW Köln
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Welche Elemente sind für eine gesunde Unternehmenskultur unverzichtbar?
„Eine Unternehmenskultur sollte als Leitplanke und Orientierung für die Menschen dienen, wofür eine Organisation steht, welche Werte und Haltungen wichtig sind, welche Handlungen erwünscht sind. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass für die einzelnen Beschäftigten nicht die eine Unternehmenskultur gibt, sondern viele Arbeitskulturen parallel existieren. Und diese sind so unterschiedlich wie die Menschen, die in einem Unternehmen arbeiten.“
Haben Sie spezielle Werte definiert im Unternehmen?
Vier Werte begleiten uns als zentralen Anspruch seit über 10 Jahren und bilden eine Art Referenzrahmen: unabhängig, offen, überzeugend und stark. Unabhängig, weil das uns langfristig denken und verantwortungsvoll handeln und lässt und so hilft, unsere Innovationskraft zu steigern. Stark, weil wir mit klaren Strukturen und einem ausgeprägten Leistungswillen als tatkräftiger Partner nahe an unseren Kunden sind. Offen, weil wir unsere Ziele nur durch Veränderungsbereitschaft, Neugier und regen Austausch erreichen. Und überzeugend sind wir, weil wir unsere einzigartige Expertise, Innovationsfreude und Verlässlichkeit mit einem konsequenten Qualitätsanspruch verbinden.
Ein gutes Beispiel für die Wirkung dieser Werte ist unsere Halbleitersparte EUV, die man mit der Überzeugung ins Leben gerufen hat, dass sich die Investition in diese Technologie eines Tages lohnen kann und lange Zeit in deren Entwicklung forciert hat. Heute stellt sie fast ein Fünftel unseres Geschäftsvolumen dar.
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Erreichung der Geschäftsziele?
In unserem sogenannten „TRUMPF Haus“ bringen wir Haltung bzw. Werte, die Strategie und unsere Vision zu einem Gesamtbild zusammen. Im TRUMPF-Haus spielen selbstverständlich Fragen der Geschäftsstrategie, Technologie, Wachstum oder Qualität eine zentrale Rolle, aber auch das Thema Kultur und die Formen der Zusammenarbeit haben ihren eigenständigen Platz. Wir formulieren da sehr klar, wie wir von außen und innen wahrgenommen werden wollen. Und wir sind davon überzeugt, dass unsere Kultur einen zentralen Beitrag zum Geschäftserfolg leistet.
Welche Kanäle nutzt TRUMPF, um den Austausch zu Kultur und Werten zu fördern?
TRUMPF ist geprägt von einer starken Stammhauskultur. Der Standort Ditzingen spielt eine sehr prägnante Rolle - schon allein dadurch, dass mehr als ein Viertel unserer gesamten Belegschaft dort arbeitet. Und wie üblich: Je weiter man ins Top Management reingeht, desto stärker ist auch die Gewichtung in Richtung Ditzingen.
Insofern ist die Frage absolut gerechtfertigt. Wie schaffen wir es, dass wir das, was uns wichtig ist, an alle Menschen in der Gruppe zu bringen? In Ditzingen ist das vergleichsweise leicht, da sieht man sich auf dem Campus und auch der Vorstand ist sehr nahbar. Hier ist somit auch unsere Kultur in einer besonderen Qualität spürbar.
Entsprechend bemühen wir uns bspw. regelmäßig Kolleginnen und Kollegen aus Ditzingen zu Einsätzen in die Tochterunternehmen zu schicken und gleichzeitig Kolleginnen und Kollegen der Tochterunternehmen nach Ditzingen zu holen, um so einen intensiven persönlichen Austausch über die verschiedenen Standorte hinweg zu fördern und dazu beizutragen, dass der Kern unserer TRUMPF-Kultur auch immer im Ausland Verankerung finden kann. Darüber hinaus organisieren wir regelmäßig insbesondere auf Managementebene Austauschforen, um Kommunikation, Netzwerkbildung und gemeinsame Sozialisation zu fördern.
Ein weiteres wichtiges Element spielen natürlich auch digitale Medien: Neben dem Intranet (unserem „Bluenet“) und den üblichen Kommunikationsplattformen wie Teams & Co. spielen auch externe Social Media Kanäle eine immer wichtigere Rolle. Auch wenn man bei LinkedIn & Co. erstmal primär an externe Kommunikation denken würde, so erleichtern diese auch die interne organisationsübergreifende Vernetzung.
Wann macht es für ein Unternehmen Sinn einen Kulturwandel anzustreben?
„Ein Kulturwandel kann in unterschiedlichen Situationen angezeigt sein. Symptome hierfür sind:
- Ausbleiben des wirtschaftlichen Erfolgs / Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
- Exogene Veränderungen (rechtlich, politisch, demografisch, etc.)
- Eine Reihe von Kündigungen, hohe Fluktuation, hoher Krankenstand
- Probleme, qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten
- Dienst nach Vorschrift, Unmut/Lustlosigkeit bei Mitarbeitenden, Fehler häufen sich“
Wie wird Feedback bei TRUMPF gehandhabt?
Wir haben seit mehreren Jahren das Kulturprogramm „Courage to Transform“ etabliert, dass einen zentralen Beitrag leistet, damit TRUMPF mit der Geschwindigkeit und Radikalität des Wandels im Markt, in der Technologie und in der Gesellschaft Schritt halten kann. Wir wollen externen Dynamiken nicht hinterherlaufen, sondern diese proaktiv angehen und mitgestalten.
Dem Thema „Vertrauen und Feedback“ haben wir innerhalb dieses Programms mit einer eigenen Stoßrichtung eine zentrale Rolle gegeben. Wir zielen auf eine Feedback-Kultur ab, in der wir voneinander lernen, sachlich streiten und Bewährtes in Frage stellen können – um so immer wieder bessere Lösungen zu erkennen. Uns ist wichtig, dass wir miteinander und nicht nur übereinander reden.
Diese Veränderung in der Haltung versuchen wir auch durch strukturelle Komponenten zu unterstützten: Mit dem Produkt „Check-In“ haben wir die Möglichkeit geschaffen, transparent und organisiert Feedback einzuholen. Ich kann über unsere IT-Plattform einen Check-In-Termin mit meinem Vorgesetzten, den Vorvorgesetzten oder auch meine Peers anfragen und gezielt Feedback einfordern. Uns ist wichtig, dass Feedback nicht nur einmal im Jahr zum Leistungsgespräch stattfindet, sondern regelmäßig erfolgt. Deswegen setzen wir auch auf einen komplett neuen Ansatz für unsere Mitarbeiterbefragung, die ab Sommer in monatlichen Intervallen stattfinden wird.
Zudem treiben wir im Rahmen unsere Leadership-Initiative „Good Leadership“ den Ansatz von Peer Consulting voran. Uns ist wichtig, immer wieder aufzuzeigen, dass es absolut legitim ist, dass ich auch als Führungskraft nicht immer alles weiß. In solchen Situationen können mir Kollegen, die meine Situation und den Kontext nachvollziehen können, oft helfen. Dieses „Wisdom of the Crowd“ ist ein ganz zentraler Hebel, um für sich selbst die passende Lösung zu finden. Früher war es oft verpönt, als Führungskraft nach Feedback oder Unterstützung zu fragen. Dieser Aspekt hat sich zum Glück kulturell erheblich geändert.
Gibt es bei TRUMPF einen einheitlichen Führungsstil?
Wir diskutieren aktuell in der Tat intensiv, ob wir eine Verschriftlichung unserer Vorstellung von Führung bei TRUMPF benötigen. Wir haben uns im Rahmen der bereits erwähnten Führungsinitiative frühere Leitlinien angeschaut. Dort war schon erkennbar: Die stammen aus einer anderen Zeit – das heißt auch, derartige Artefakte sind immer ein Kind ihrer Zeit.
Deshalb stellt sich die Frage zurecht, ob es solche verschriftlichte Prinzipien braucht. Wir sind uns hier selbst nicht so einig. Wir diskutieren das auch innerhalb von HR und mit dem Vorstand regelmäßig. Eigentlich gilt ja: jede Führungspersönlichkeit ist anders und jedes Team ist anders. Wir haben im Geschäftsbereich Maschinenbau natürlicherweise andere Ansätze und Subkulturen als bei der Lasertechnik. Und wenn ich nach Japan gehe, dann gestaltet sich Führung dort auch nochmal anders als in den USA oder in Italien.
Also was ist dann das, was das Gemeinsame ausmacht? Ich persönlich glaube, dass es keine großen ausführlich formulierten Leitlinien braucht. Unsere eingangs erwähnten Werten gelten natürlich auch und insbesondere für Führungskräfte – und da steckt genug drin. Natürlich sind diese interpretierbar, bilden aber gleichzeitig den Kern, hinter dem alle zusammenkommen können.
Bei TRUMPF spielen ein wertschätzendes Miteinander, eine offene Feedback-Kultur und ein modernes, inklusives Arbeitsumfeld eine große Rolle.
Welche Möglichkeiten haben denn ihre Mitarbeiter:innen, wenn sie sich persönlich oder beruflich weiterentwickeln?
Hier spielen wir die gesamte Klaviatur, die es in den größeren Konzernen gibt. Wir haben ein breites Qualifizierungsangebot, welches es einem ermöglicht, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Zudem auch Talent- und Potenzialprogramme, über die man bewusst auf einen nächsten Entwicklungsschritt vorbereitet wir. Diese Programme dienen auch zur Bildung intensiver Netzwerke, die langfristig wirken und immer wieder auch helfen, andere Impulse zu bekommen.
Auch Themen wie Einsatz im Ausland oder die Möglichkeit berufsbegleitend ein Studium aufzunehmen, unterstützen wir.
Welche Maßnahmen bietet TRUMPF, um ein vielfältiges und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen?
Ein zentrales Element des unternehmerischen Verständnisses bei TRUMPF ist, das Wissen, als Unternehmen auch Teil der Gesellschaft zu sein und damit auch eine Verantwortung zu tragen. Wir denken eben nicht ausschließlich profitorientiert, sondern auch stärker an die Rahmenbedingungen, die es braucht, um diese Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes wirklich zu leben.
Mit dieser Grundhaltung gehen wir schon seit vielen Jahren Themen wie Diversität und Inklusion an und haben beispielsweise diverse Angebote, um körperlich oder geistig behinderten oder eingeschränkten Menschen Arbeitsplätze zu bieten, die ihnen dann trotzdem die Möglichkeit bieten, sich zu entfalten und auch selbst einzubringen. Aber auch hier braucht es immer wieder eine Art Modernisierung. Wir arbeiten aktuell intensiv daran, unsere Ansätze noch klarer zur formalisieren und als explizite und gebündelte Diversity Strategie zu stärken.
Die letzte Nachfolge liegt bei TRUMPF nunmehr fast 20 Jahre zurück. Frau Leibinger-Kammüller hat aber bereits angekündigt, dass ihr Nachfolger schon im Haus ist. Ohne jetzt interne Details auszuplaudern: Können Sie mir ein bisschen darüber erzählen, wie der Nachfolgeprozess aussehen soll?
Ich bin gar nicht in Gefahr, etwas auszuplaudern, denn diese Diskussion wird natürlich auf ganz anderen Ebenen geführt. Aber es ist seit vielen Jahren gute TRUMPF-Kultur, dass Topmanagementpositionen - und dazu gehört der Vorstand, aber auch die beiden Ebenen darunter - in aller Regel aus internen Reihen besetzt werden. Bis ins mittlere Management holen wir regelmäßig gerne auch von außerhalb Personen, um externe Perspektiven in den Konzern zu integrieren. Aber wenn es dann um die verantwortlichen Positionen unter dem Vorstand und im Vorstand geht, dann besetzen wir diese Stellen, soweit irgendwie möglich, intern. Und daran hält man sich vermutlich auch bei der Nachfolge von Frau Leibinger-Kammüller. Auf das Ergebnis bin ich genauso gespannt wie meine fast 20.000 Kolleginnen und Kollegen…
Interview: Maximilian Kaiser
In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten. Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.
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